Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
Trujillos, sollen den Ozama überqueren oder sich der Festung 18 de Diciembre nähern.«
    »Der Minister der Streitkräfte, General JoséRene Roman, Ehemann von Mireya Trujillo«, sagte General Felix Hermida wie benommen vor sich hin. »Ich versteh überhaupt nichts mehr, verfluchtnochmal.« »Glaub es, solange nicht bewiesen ist, daß er unschuldig ist«, sagte Abbes García. »Geh rasch und sag den Brüdern des Chefs Bescheid. Sie sollen sich im Regierungspalast versammeln. Erwähn Pupo noch nicht. Sag ihnen, es gibt Attentatsgerüchte. Los! Wie geht’s dem Subjekt? Kann ich es befragen?«
    »Er stirbt, Herr Oberst«, erklärte Doktor Damirón Ricart. »Meine Pflicht als Arzt…«
    »Ihre Pflicht ist, den Mund zu halten, wenn Sie nicht als Komplize behandelt werden wollen.« Pedro Livio sah abermals, ganz nah, das Gesicht des Chefs des SIM. ›lch sterbe nicht‹, dachte er. ›Der Doktor hat ihn angelogen, damit er mir keine Kippen mehr im Gesicht ausdruckte »General Roman hat den Befehl gegeben, den Chef zu töten?« In der Nase und im Mund wieder der beißende Atem des Obersts. »Stimmt das?«
    »Sie suchen ihn, um ihm die Leiche zu zeigen«, hörte er sich laut rufen. »So ist er: er will sehen, um zu glauben. Auch den Koffer.«
    Die Anstrengung hatte ihn erschöpft. Er fürchtete, die caliés könnten in diesem Augenblick dabei sein, Zigaretten in Olgas Gesicht auszudrücken. Die Arme, wie leid sie ihm tat. Sie würde das Baby verlieren, sie würde ihre Heirat mit dem ehemaligen Hauptmann Pedro Livio Cedeno verfluchen.
    »Was für ein Koffer?« fragte der Chef des SIM. »Der von Trujillo«, antwortete er sofort, deutlich artikulierend. »Außen voll Blut und innen voll Pesos und Dollar.« »Mit seinen Initialen?« beharrte der Oberst. »Den metallenen Initialen RLTM?«
    Er konnte nicht antworten, das Gedächtnis ließ ihn im Stich. Tony und Antonio hatten ihn im Auto gefunden, ihn aufgemacht und gesagt, er sei voll mit dominikanischen Pesos und Dollars. Abertausenden. Er spürte die Angst des Chefs des SIM. Aha, du Scheißkerl, der Koffer hat dich überzeugt, daß es stimmte, daß sie ihn umgebracht hatten. »Wer ist noch in die Sache verwickelt?« fragte Abbes García. »Nenn mir Namen. Damit du in den Operationssaal runterkommst und man dir die Kugeln rausholt. Wer noch?«
    »Haben sie Pupo gefunden?« fragte er erregt, überstürzt. »Haben sie ihm die Leiche gezeigt? Auch Balaguer?« Abermals fiel Oberst Abbes García der Unterkiefer herunter. Da stand er, mit offenem Mund vor Verblüffung und Furcht. Irgendwie gewann er die Partie gegen sie. »B-a-l-a-g-u-e-r?« buchstabierte er. »Der Präsident der Republik?«
    »Er wird der militärisch-zivilen Junta angehören«, erklärte Pedro Livio, während er gegen das Würgen ankämpfte. »Ich war dagegen. Sie sagen, es sei notwendig, um die
    OAS zu beruhigen.«
    Dieses Mal ließ das Würgen ihm keine Zeit, den Kopf zur Seite zu drehen und sich außerhalb des Bettes zu übergeben. Etwas Lauwarmes, Klebriges rann ihm über den Hals und befleckte seine Brust. Er sah, wie sich der Chef des SIM angewidert abwandte. Er spürte starkes Reißen und Kälte in den Knochen. Er würde nicht mehr sprechen können. Nach einer Weile war das Gesicht des Obersts wieder über ihm, von Ungeduld verzerrt. Er schaute ihn an, als wollte er ihm den Schädel durchbohren, um die ganze Wahrheit zu erfahren. »Joaquín Balaguer auch?«
    Er hielt seinem Blick nur wenige Sekunden stand. Er schloß die Augen, wollte schlafen. Oder sterben, es war ihm egal. Er hörte zwei- oder dreimal die Frage: »Balaguer? Balaguer auch?« Er antwortete nicht und öffnete auch nicht die Augen. Er tat es auch dann nicht, als das heftige Brennen seines rechten Ohrläppchens ihn zusammenzucken ließ. Der Oberst hatte seine Zigarette darauf ausgemacht, und jetzt zerdrückte und zerkrümelte er sie in seiner Ohrmuschel. Er schrie nicht, er rührte sich nicht. Verwandelt in den Aschenbecher des Chefs der caliés, Pedro Livio, so sieht dein Ende aus. Bah, scheiß drauf. Der Ziegenbock war tot. Schlafen. Sterben. Aus dem tiefen Loch, in das er fiel, hörte er noch immer Abbes García: »Ein Betbruder wie er mußte sich mit den Pfaffen verschwören. Es ist ein Komplott der Bischöfe, die sich mit den Gringos zusammengetan haben.« Ab und zu trat lange Stille ein, unterbrochen von Gemurmel und bisweilen von der schüchternen Bitte Doktor Damirón Ricarts: Wenn sie ihn nicht operierten, würde der Patient sterben.

Weitere Kostenlose Bücher