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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Cabral goß ihm den Rest aus seinem hinein. »Deine Worte haben mich bewegt, Manuel«, murmelte er. »Aber sie überraschen mich nicht. Was du für ihn fühlst, diese Bewunderung, diese Dankbarkeit, habe auch ich immer für den Chef gefühlt. Deshalb schmerzt mich diese Situation so sehr.«
    Der Botschafter legte ihm die Hand auf die Schulter. »Sie wird in Ordnung kommen, Cerebrito. Ich werde mit ihm sprechen. Ich weiß, wie ich ihm diese Dinge sagen muß. Ich werde es ihm erklären. Ich werde ihm nicht sagen, daß es meine Idee ist, sondern deine. Eine Initiative von Agustín Cabral. Der hundertprozentig loyal ist, selbst im Unglück, selbst jetzt, da er gedemütigt ist. Du kennt den Chef ja. Er hat etwas übrig für Gesten. Er mag in die Jahre gekommen sein, eine angegriffene Gesundheit haben. Aber nie hat er sich den Herausforderungen der Liebe entzogen. Ich werde alles organisieren, mit absoluter Diskretion. Mach dir keine Sorgen. Du wirst deine Position wiedererlangen, alle, die sich von dir abgewandt haben, werden schon bald vor dieser Tür Schlange stehen. Ich muß jetzt gehen. Danke für den Whisky. Bei mir zu Hause läßt man mich keinen Tropfen Alkohol trinken. Wie gut das tat, in meiner armen Kehle dieses leicht brennende, leicht bittere Kitzeln zu spüren. Adiós, Cerebrito. Hab keine Angst mehr. Laß mich machen. Bereite du lieber Uranita vor. Ohne in Einzelheiten zu gehen. Das ist nicht nötig. Das wird der Chef übernehmen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie feinfühlig, wie zärtlich, wie gewandt er in diesen Fällen vorzugehen pflegt. Er wird sie glücklich machen, er wird sie belohnen, sie wird eine gesicherte Zukunft haben. Das hat er immer getan. Und gar bei einem so sanften, schönen Geschöpf.«
    Er ging schwankend zur Tür und verließ das Haus mit einem leichten Türenschlagen. Vom Sofa des Wohnzimmers aus, wo er noch immer mit dem leeren Glas in den Händen saß, hörte Agustín Cabral den Motor des startenden Autos. Er fühlte Mattigkeit, grenzenlose Willensschwäche. Nie würde er die Kraft finden, aufzustehen, die Treppe hinaufzusteigen, sich auszuziehen, ins Bad zu gehen, sich die Zähne zu putzen, sich ins Bett zu legen, das Licht zu löschen. »Willst du damit sagen, daß Manuel Alfonso deinem Vater vorgeschlagen hat, daß…. daß…« Tante Adelina kann nicht zu Ende sprechen, die Empörung raubt ihr die Luft, sie findet die Worte nicht, die dem, was sie sagen will, die Schärfe nehmen, es salonfähig machen. Um irgendwie ein Ende zu finden, droht sie mit der Faust dem Papagei Samson, der nicht einmal den Schnabel aufgemacht hat: »Still, du blödes Vieh!«
    »Ich will gar nichts. Ich erzähle dir, was passiert ist«, sagt Urania. »Wenn du es nicht hören willst, lasse ich es sein und gehe.«
    Tante Adelina öffnet den Mund, aber sie bringt kein Wort hervor.
    Im übrigen kannte auch Urania die Einzelheiten der Unterhaltung zwischen Manuel Alfonso und ihrem Vater nicht, an jenem Abend, an dem der Senator zum ersten Mal in seinem Leben nicht nach oben ging, um sich ins Bett zu legen. Er schlief im Wohnzimmer ein, angekleidet, ein leeres Glas und eine leere Whiskyflasche zu seinen Füßen. Der Anblick, der sich ihr am nächsten Morgen bot, als sie herunterkam, um zu frühstücken, bevor sie in die Schule ging, verstörte sie. Ihr Vater war kein Trinker, im Gegenteil, er hatte Säufer und Nachtschwärmer immer verurteilt. Er hatte sich aus Verzweiflung betrunken, weil man ihn wegen etwas, das er nicht getan hatte, in die Enge trieb, verfolgte, überprüfte, weil man ihn abgesetzt und ihm die Konten gesperrt hatte. Sie schluchzte, während sie sich an ihren Papa klammerte, der ausgestreckt im Sessel des Wohnzimmers lag. Als er die Augen aufschlug und sie weinend neben sich sah, bedeckte er ihr Gesicht mit Küssen: »Wein nicht, mein Herz.
    Wir werden es schon schaffen, du wirst sehen, wir lassen uns nicht unterkriegen.« Er stand auf, richtete seine Kleidung, leistete seiner Tochter beim Frühstück Gesellschaft. Während er ihr übers Haar strich und ihr sagte, sie solle nichts in der Schule erzählen, musterte er sie auf seltsame Weise.
    »Er muß gezweifelt, mit sich gerungen haben«, sinniert Urania. »Sicher hat er daran gedacht, ins Exil zu gehen. Aber er hätte keine Botschaft betreten können. Es gab keine lateinamerikanischen Gesandschaften mehr seit den Sanktionen. Und die caliés drehten ihre Runden, hielten Wache vor den verbliebenen. Bestimmt hat er einen schlimmen Tag

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