Das Fest des Ziegenbocks
Papi.« Sie zögert, verwirrt. »Mir kommt das komisch vor. Warum lädt er mich allein ein? Was soll ich da, auf einem Fest mit alten Leuten? Oder sind noch andere Mädchen in meinem Alter eingeladen?« Der kleine Adamsapfel bewegt sich auf und nieder am schlanken Hals des Senators Cabral. Seine Augen weichen denen Uranias aus.
»Wenn er dich eingeladen hat, wird es auch andere junge Leute geben«, stottert er. »Er betrachtet dich vermutlich nicht mehr als kleines Mädchen, sondern als junges Fräulein.«
»Aber er kennt mich doch gar nicht, er hat mich nur von weitem gesehen, mit vielen anderen Leuten. Wie soll er sich an mich erinnern, Papi.«
»Man wird ihm von dir erzählt haben, Uranita«, sagt ihr Vater ausweichend. »Ich sag dir noch einmal, du bist zu nichts verpflichtet. Wenn du willst, rufe ich Manuel Alfonso an, um ihm zu sagen, daß du dich unwohl fühlst.« »Na ja, ich weiß nicht, Papi. Wenn du willst, geh ich hin, und wenn nicht, dann nicht. Ich will dir ja helfen. Wird er nicht böse werden, wenn ich ihn kränke?« »Hast du denn nichts gemerkt?« wagt Manolita sie zu fragen.
Nichts, Urania. Du warst ein Kind, als das noch hieß, völlig unschuldig zu sein, was gewisse Dinge betraf, die mit dem Begehren, den Trieben und der Macht zu tun haben und mit den Exzessen und Brutalitäten, zu denen es kommen kann, wenn sich diese Dinge in einem von Trujillo geformten Land miteinander verbinden. Natürlich kam ihr das alles überstürzt vor, sie war ja nicht auf den Kopf gefallen. Wo hatte es das gegeben, eine Einladung zu einem Fest noch am gleichen Tag, ohne der Eingeladenen Zeit zu lassen, sich vorzubereiten? Aber sie war ein normales, gesundes Mädchen – der letzte Tag, an dem du es sein solltest, Urania –, offen für alles Neue, und dieses Fest plötzlich, in San Cristóbal, auf der berühmten Hacienda des Generalissimus, von der die Pferde und Kühe kamen, die alle Preise gewannen, mußte sie einfach in Aufregung versetzen, ihre Neugier wecken, sie daran denken lassen, was sie ihren Schulfreundinnen erzählen würde, wie neidisch ihre Klassenkameradinnen wären, unter denen sie in diesen Tagen so zu leiden hatte, weil sie ihr mit den Ungeheuerlichkeiten in den Ohren lagen, die in
den Zeitungen und im Rundfunk gegen den Senator Cabral verbreitet wurden. Weshalb hätte etwas, das die Zustimmung ihres Vaters fand, ihr Mißtrauen wecken sollen? Eher empfand sie Freude, daß diese Einladung, wie der Senator sagte, das erste Zeichen einer Wiedergutmachung war, eine Geste, um ihren Vater wissen zu lassen, daß der Leidensweg zu Ende war. Sie argwöhnte nichts. Als die angehende junge Frau, die sie war, sorgte sie sich um leichtere Dinge, was sollte sie anziehen, Papi?, welche Schuhe?, schade, daß es so spät war, sie hätten die
Frau kommen lassen können, die sie im vergangenen Monat frisiert und geschminkt hatte, als sie Ehrenjungfer der Schönheitskönigin der Santo-Domingo-Schule gewesen war. Das war ihre einzige Sorge ab dem Augenblick, da ihr Vater und sie beschlossen, sie sollte zu dem Fest gehen, um den Chef nicht vor den Kopf zu stoßen. Don Manuel Alfonso würde sie um acht Uhr abends abholen. Ihr blieb keine Zeit für die Hausaufgaben. »Wie lange, hast du Herrn Alfonso gesagt, kann ich bleiben?« »Na ja, bis die Leute sich zu verabschieden beginnen«, sagt der Senator Cabral, sich nervös die Hände reibend. »Wenn du vorher gehen willst, weil du müde bist oder was auch immer, dann sagst du es ihm, und Manuel Alfonso wird dich sofort zurückbringen.«
XVII
Während Doktor Vélez Santana und Bienvenido García den verletzten Pedro Livio Cedeno im Lieferwagen in die Internationale Klinik fuhren, traf das unzertrennliche Trio – Amadito, Tony Imbert und der Türke – eine Entscheidung: Es hatte keinen Sinn, weiter dort zu warten, bis General Díaz, Luis Amiama und Antonio de la Maza General José Rene Roman gefunden hätten. Besser, sie suchten einen Arzt, der ihre Wunden versorgte, wechselten die befleckte Kleidung und suchten sich bis zur Klärung des Ganzen einen Unterschlupf. An welchen vertrauenswürdigen Arzt konnten sie sich um diese Zeit wenden? Es war fast Mitternacht.
»An meinen Cousin Manuel«, sagte Imbert. »Manuel Durán Barreras. Er wohnt hier in der Nähe, und seine Praxis liegt neben seinem Haus. Man kann ihm vertrauen.« Tony machte ein düsteres Gesicht, was Amadito wunderte. In dem Auto, in dem Salvador sie zu Doktor Durán Barreras fuhr – die Stadt lag
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