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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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»Glaubst du, ich habe daran nicht gedacht, Manuel?« Der Botschafter zuckte die Schultern. »Der Gedanke ist mir gekommen, als ich gesehen habe, wie hübsch sie geworden ist«, wiederholte er. »Der Chef weiß Schönheit zu schätzen. Wenn ich ihm sage: ›Cerebrito möchte Ihnen zum Beweis der Zuneigung und der Treue seine hübsche Tochter anbieten, die noch unschuldig ist‹, wird er diese Geste nicht zurückweisen. Ich kenne ihn. Er ist ein Kavalier, mit einem gewaltigen Ehrgefühl. Es wird ihm ans Herz greifen. Er wird dich anrufen. Er wird dir zurückgeben, was er dir genommen hat. Uranita hätte eine sichere Zukunft. Denk an sie, Agustín, und schüttle die überholten Vorurteile ab. Sei nicht egoistisch.«
    Er griff erneut nach der Flasche und goß einen letzten Strahl Whisky in sein Glas und in das von Cabral. Er tat mit der Hand die Eiswürfel in beide Gläser. »Der Gedanke ist mir gekommen, als ich sah, wie schön sie geworden ist«, psalmodierte er zum vierten oder fünften Mal. Plagte ihn der Hals, machte er ihn verrückt? Er bewegte den Kopf und strich sich mit den Fingerkuppen über die Narbe. »Wenn es dich geärgert hat, habe ich nichts gesagt.«
    »Du hast gesagt, gemein und böse«, explodiert Tante Adelina plötzlich. »Das hast du von deinem Vater gesagt, der ein lebener Toter ist und auf das Ende wartet. Von meinem Bruder, von dem Menschen, den ich am meisten geliebt und geachtet habe. Du wirst dieses Haus nicht verlassen, ohne mir den Grund dieser Beleidigungen zu erklären, Urania.«
    »Ich habe gemein und böse gesagt, weil es keine stärkeren Worte gibt«, erklärt Urania langsam. »Wenn es sie geben würde, hätte ich sie gesagt. Er hatte sicher seine Gründe. Seine mildernden Umstände, seine Zwänge. Aber ich habe ihm nicht verziehen, und ich werde ihm nicht verzeihen.« »Warum hilfst du ihm, wenn du ihn so haßt?« Die Alte bebt vor Empörung; sie ist sehr blaß, als wäre sie einer Ohnmacht
    nahe. »Warum die Krankenschwester, das Essen? Laß ihn doch sterben.«
    »Ich ziehe es vor, daß er so lebt, tot zu Lebzeiten, daß er leidet.« Sie spricht sehr gelassen, mit gesenktem Blick. »Deshalb helfe ich ihm, Tante.«
    »Aber…. aber was hat er dir denn nur getan, daß du ihn so haßt, daß du so etwas Furchtbares sagst?« Lucindita hebt die Arme, sie kann nicht glauben, was sie gerade gehört hat. »Bei Gott im Himmel!«
    »Es wird dich überraschen, was ich dir sagen werde, Cerebrito«, ruft Manuel Alfonso dramatisch aus. »Wenn ich eine Schönheit sehe, ein tolles Weib, eines von denen, die einem den Verstand rauben, dann denke ich nicht an mich. Sondern an den Chef. Ja, an ihn. Würde er sie gern in seinen Armen halten, sie lieben? Das habe ich niemandem erzählt. Auch dem Chef nicht. Aber er weiß es. Daß er für mich immer der erste gewesen ist, selbst darin. Und dabei gefallen mir die Frauen sehr, Agustín. Glaub ja nicht, ich hätte mich geopfert und ihm schöne Frauen abgetreten, um ihm zu schmeicheln, um Vergünstigungen, Geschäfte zu bekommen. Das glauben die Niederträchtigen, die Schweine. Weißt du, warum? Aus Zuneigung, aus Erbarmen, aus Mitleid. Du kannst das verstehen, Cerebrito. Du und ich, wir wissen, wie sein Leben ausgesehen hat. Arbeit vom Morgengrauen bis Mitternacht, sieben Tage in der Woche, zwölf Monate im Jahr. Ohne jemals auszuruhen. Er beschäftigt sich mit den großen und mit den kleinen Dingen. Trifft in jedem Augenblick Entscheidungen, von denen Leben und Tod von drei Millionen Dominikanern abhängen. Um uns endlich ins 20. Jahrhundert zu führen. Und muß dabei auf der Hut sein vor den Rachsüchtigen, den Mittelmäßigen, vor der Undankbarkeit so vieler armer Teufel. Verdient ein solcher Mann es nicht, sich hin und wieder zu zerstreuen? Sich ein paar Minuten lang mit einem Weib zu vergnügen? Eine der wenigen Kompensationen in seinem Leben, Agustín. Deshalb bin ich stolz darauf, das zu sein, was so viele böse Zungen behaupten: der Kuppler des Chefs. Es gereicht mir zur Ehre, Cerebrito!«
    Er führte das Glas ohne Whisky an den Mund und nahm einen Eiswürfel in den Mund. Er verharrte eine ganze Weile schweigend, konzentriert lutschend, erschöpft durch den Monolog. Cabral beobachtete ihn, ebenfalls stumm, während er sein mit Whisky gefülltes Glas befingerte. »Die Flasche ist leer, und ich habe keine andere«, entschuldigte er sich. »Trink meinen, ich kann nicht mehr.« Der Botschafter nickte, streckte ihm das leere Glas hin, und der Senator

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