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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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ohne ihn zu berühren, und wird rot. »Gute Nacht, Senor.«
    »Nenn mich Onkel Manuel«, sagt er, während er sie auf die Stirn küßt.
    Cabral gibt dem Hausdiener und dem Dienstmädchen zu verstehen, daß sie sich zurückziehen können, und er selbst bringt die Flasche Whisky, die Gläser, den kleinen Eiskübel. Er schenkt seinem Freund ein und dann sich, ebenfalls on the rocks. »Prost, Manuel.« »Prost, Agustín.«
    Der Botschafter kostet zufrieden, mit halb geschlossenen Augen. »Ah, wie gut«, ruft er aus. Aber er hat Schwierigkeiten, die Flüssigkeit zu schlucken, sein Gesicht verzerrt sich vor Schmerz.
    »Ich war nie betrunken, ich habe nie die Kontrolle über mich verloren«, sagt er. »Aber ich habe das Leben immer zu genießen
    gewußt. Selbst als ich mich fragte, ob ich am nächstenTag etwas zu essen haben würde, war ich fähig, den kleinen Dingen das größte Vergnügen abzugewinnen: einem guten Drink, einem guten Tabak, einer Landschaft, einem gut zubereiteten Essen, einer Frau, die sich mit Anmut in Positur wirft.«
    Er lacht wehmütig, und Cabral stimmt lustlos ein. Wie ihn zum einzigen Thema zurückbringen, das ihn interessiert? Aus Höflichkeit zügelt er seine Ungeduld. Seit vielen Tagen trinkt er keinen Alkohol, und die zwei oder drei Schlucke haben ihn benebelt. Dennoch füllt er auch sein Glas, nachdem er das von Manuel Alfonso nachgefüllt hat. »Niemand würde für möglich halten, daß du einmal Geldnöte gehabt hast, Manuel«, versucht er ihm zu schmeicheln. »In meiner Erinnerung bist du immer elegant, freigebig, großzügig, bezahlst alle Rechnungen.« Der ehemalige Dressman nickt selbstgefällig, während er die Flüssigkeit im Glas schwenkt. Das Licht des Kronleuchters fallt ihm voll ins Gesicht, und erst jetzt bemerkt Cabral die geschwungene Narbe, die sich um seinen Hals windet. Hart für jemanden, der so stolz auf sein Gesicht und seinen Körper ist, so zerschnitten worden zu sein.
    »Ich weiß, was es heißt, Hunger zu haben, Cerebrito. Als junger Mann, in New York, habe ich auf der Straße geschlafen, wie ein Tramp. Tagelang bestand meine einzige Nahrung aus einem Teller Nudelsuppe oder einem Stück Brot. Wer weiß, wie mein Schicksal ohne Trujillo ausgesehen hätte. Ich habe zwar immer den Frauen gefallen, aber den Gigolo, wie unser guter Porfirio Rubirosa, konnte ich nie spielen. Höchstwahrscheinlich wäre ich als Strichjunge in der Bowery geendet.« Er trinkt sein Glas in einem Schluck aus. Der Senator füllt es ihm nach.
    »Ich verdanke ihm alles. Was ich habe, was ich geworden bin.« Er betrachtet mit gesenktem Kopf die Eiswürfel. »Ich habe von gleich zu gleich mit Ministern und Präsidenten der mächtigsten Länder verkehrt, ich bin ins Weiße Haus eingeladen worden, ich habe mit Präsident Truman Poker gespielt, bin
    zu den Festen der Rockefellers gegangen. Den Tumor
    haben sie mir in der Mayo-Klinik entfernt, der besten der Welt, der beste Chirurg der Vereinigten Staaten. Wer hat die Operation bezahlt? Der Chef natürlich. Begreifst du, Agustín? Wie unser Land verdanke ich Trujillo alles.« Agustín bereute jetzt, daß er in der Intimität des Country ‘ Club, des Kongresses oder eines abgelegenen Landguts, im Kreis enger Freunde (die er für eng hielt) so oft die Witze über den ehemaligen Colgate-Werber beklatscht hatte, der seine hohen diplomatischen Würden und seinen Posten als Ratgeber Trujillos den Seifen, Pudersorten, Parfüms verdankte, die er für Seine Exzellenz bestellte, und seinem guten Geschmack bei der Auswahl der Krawatten, Anzüge, Hemden, Pyjamas und Schuhe, die der Chef trug.
    »Auch ich verdanke ihm alles, was ich bin und was ich getan habe, Manuel«, erklärte er. »Ich versteh dich sehr gut. Und deshalb bin ich zu allem bereit, um seine Freundschaft zurückzugewinnen.«
    Manuel Alfonso betrachtete ihn mit vorgerecktem Kopf. Er sagte eine ganze Weile nichts, aber er fixierte ihn, als würde er Millimeter für Millimeter den Ernst seiner Worte abwägen. »Frisch ans Werk also, Cerebrito!«
    »Er war der zweite Mann, nach Ramfis Trujillo, der mir Komplimente machte«, sagt Urania. »Wie hübsch ich sei, wie ich meiner Mutter glich, was für schöne Augen. Ich war schon mit Jungen auf Feste gegangen, hatte getanzt. Fünf- oder sechsmal. Aber noch nie hatte jemand so mit mir geredet. Denn das Kompliment von Ramfis, bei der Feier, galt einem kleinen Mädchen. Der erste, der mir Komplimente machte wie einer jungen Frau, war mein Onkel Manuel

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