Das Fest des Ziegenbocks
zu erkundigen. Hoffentlich haben sie dich nicht gesehen. Wie du aussiehst, mein Sohn. Möchtest du etwas?«
»Ja, Tante«, sagte er lachend, während er ihr über das weiße Haar strich. »Eine Dusche und etwas zu essen. Ich sterbe vor Hunger.«
»Und obendrein hast du noch Geburtstag!« erinnerte sich seine Tante und umarmte ihn noch einmal. Sie war eine kleine, energische Alte mit entschlossenem Gesichtsausdruck und tiefen, gütigen Augen. Sie hieß ihn Hose und Hemd ausziehen, um sie auszuwaschen, und während Amadito sich duschte – ein göttliches Vergnügen –, wärmte sie ihm sämtliche Essensreste in der Küche auf. Der Leutnant setzte sich in Unterhose und Unterhemd zu einem Bankett an den Tisch: gebackene Bananen, gebratene Schlackwurst, Reis und geröstetes Huhn. Er aß mit Appetit, während er den Geschichten seiner Tante Meca zuhörte. Über den Aufruhr, den die Tatsache, daß er einer der Trujillo-Mörder war, in der Familie verursacht hatte. Bei drei ihrer Schwestern waren im Morgengrauen die caliés erschienen und hatten nach ihm gefragt. Hierher waren sie noch nicht gekommen.
»Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gern ein wenig schlafen, Tante. Ich habe seit Tagen kaum ein Auge zugetan. Aus Langeweile. Ich bin froh, daß ich hier bei dir bin.«
Sie führte ihn in ihr Schlafzimmer und überließ ihm ihr Bett, unter einem Bildnis von San Pedro Claver, ihrem Lieblingsheiligen. Sie schloß die Fensterläden, um das Zimmer zu verdunkeln, und sagte, sie würde ihm die Uniform säubern und bügeln, während er seinen Mittagsschlaf hielt. »Uns wird schon einfallen, wo wir dich verstecken können, Amadito.« Sie küßte ihn mehrmals auf die Stirn und auf den Kopf: »Und ich habe dich für einen treuen Trujillo-Anhänger gehalten, mein Sohn.« Er schlief sofort ein. Er träumte, daß der Türke und Tony Imbert ihn beharrlich riefen: »Amadito, Amadito!« Sie wollten ihm etwas Wichtiges mitteilen, aber er verstand weder ihre Gesten noch ihre Worte. Ihm war, als habe er gerade erst die Augen zugemacht, als er spürte, daß jemand ihn rüttelte. Es war Tante Meca, so bleich und erschrocken, daß sie ihm leid tat, daß es ihm Gewissensbisse bereitete, sie in diese Geschichte hineingezogen zu haben. »Sie sind da, sie sind da.« Sie rang nach Luft, bekreuzigte sich. »Zehn oder zwölf Wannen und haufenweise caliés, mein Sohn.«
Er war jetzt ganz klar und wußte genau, was er tun würde. Er zwang die Alte, sich auf den Boden zu legen, hinter das Bett, gegen die Wand, zu Füßen von San Pedro Claver. »Rühr dich nicht von der Stelle, steh nicht auf, um nichts in der Welt«, befahl er ihr. »Ich hab dich sehr lieb, Tante Meca.«
Er hielt die 45 er Pistole in der Hand. Barfuß, nur mit der khakifarbenen Unterwäsche der Uniform bekleidet, glitt er dicht an der Wand entlang zur Haustür. Er spähte durch die Vorhänge, ohne sich sehen zu lassen. Es war ein Nachmittag mit bewölktem Himmel, und in der Ferne erklang ein Bolero. Mehrere schwarze Volkswagen des SIM versperrten die Fahrbahn. Mindestens zwanzig caliés mit Maschinenpistolen und Revolvern hatten das Haus umstellt. Drei Männer standen vor der Tür. Einer schlug mit der Faust dagegen und brachte das Holz zum Zittern. Er brüllte aus vollem Halse:
»Wir wissen, daß du da drin bist, García Guerrero! Komm mit erhobenen Armen raus, wenn du nicht wie ein Hund krepieren willst!«
»Wie ein Hund nicht«, murmelte er. Während er mit der linken Hand die Tür aufstieß, schoß er mit der rechten. Er schaffte es, das Magazin seiner Pistole zu leeren, und sah, wie der, der ihn aufgefordert hatte, sich zu ergeben, mit einem Schrei zu Boden stürzte, mitten in die Brust getroffen. Von zahllosen Kugeln aus Maschinenpistolen und Revolvern durchsiebt, sah er jedoch nicht, daß er nicht nur einen calié getötet, sondern außerdem zwei weitere verletzt hatte, bevor er selbst starb. Er sah nicht, wie seine Leiche -wie es die Jäger mit dem Wild taten, das sie auf den Jagdpartien in der Cordillera Central erlegt hatten – auf das Dach eines Volkswagens gebunden wurde und so, an Knöcheln und Handgelenken von Johnny Abbes’ Männern gehalten, die im Innern der Wanne saßen, den Schaulustigen im Independencia-Park vorgeführt wurde, durch den seine Henker eine Siegesrunde drehten, während andere caliés in das Haus eindrangen, Tante Meca mehr tot als lebendig dort fanden, wo er sie zurückgelassen hatte, sie hervorzerrten, anspuckten und in die Räume des SIM
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