Das Fest des Ziegenbocks
Haut stecken, wenn sie dich kriegen.« »Dazu wird es nicht kommen, Quacksalber.« Er hatte keine Kugeln mehr, aber Imbert besaß einen guten Vorrat und schenkte ihm eine Handvoll Munition. Der Leutnant lud seine 45er Pistole und erklärte zum Abschied: »So fühl ich mich sicherer.«
»Ich hoffe dich bald zu sehen, Amadito.« Tony umarmte ihn. »Deine Freundschaft gehört zu den guten Dingen, die mir im Leben passiert sind.«
Als sie im Jeep von Tono Sánchez in Richtung Ozama fuhren, hatte die Stadt sich verändert. Ein paar Wannen mit caliés kamen ihnen entgegen, und als sie die RadhamésBrücke überquerten, sahen sie einen Lastwagen mit Soldaten kommen, die heruntersprangen und eine Straßensperre errichteten.
»Sie wissen schon, daß der Ziegenbock tot ist«, sagte
Amadito. »Ich hätte gern ihre Gesichter gesehen, jetzt, wo ihnen der Chef abhanden gekommen ist.« »Niemand wird es glauben, solange er nicht die Leiche gesehen und gerochen hat«, erklärte der Mechaniker. »Wie anders wird dieses Land ohne Trujillo sein, verfluchtnochmal.«
Das kleine Haus war eine schlichte Konstruktion inmitten eines unbebauten, zehn Tagewerke großen Grundstücks. Es war halb leer: eine Pritsche mit Matratze, ein paar kaputte Stühle und eine Korbflasche mit destilliertem Wasser. »Morgen bring ich dir was zu essen«, versprach ihm Tono Sánchez. »Mach dir keine Sorgen. Hier kommt keiner her.«
Das Haus hatte kein elektrisches Licht. Amadito zog sich die Schuhe aus und legte sich angekleidet auf die Pritsche. Der Motor des Jeeps von Tofio Sánchez wurde immer leiser, bis er nicht mehr zu hören war. Er war müde, die Ferse und der Knöchel schmerzten ihn, aber er fühlte große Gelassenheit. Nun, daTrujillo tot war, war eine große Last von ihm gewichen. Das schlechte Gewissen, das ihm die Seele zerfraß, seitdem er sich gezwungen gesehen hatte, diesen armen Teufel zu töten – den Bruder von Luisa Gil, mein Gott! – , würde jetzt verschwinden, da war er sicher. Er würde derselbe sein wie früher, ein junger Mann, der sich im Spiegel ansah, ohne Ekel beim An blick seines Gesichts zu empfinden. Verfluchtnochmal, wenn er auch Abbes García und Major Roberto Figueroa Carrión den Garaus machen könnte, dann wäre ihm alles egal. Er würde in Frieden sterben. Er rollte sich zusammen, veränderte mehrmals die Position, auf der Suche nach Schlaf, aber er konnte ihn
nicht finden. Im Dunkeln hörte er leise Geräusche, Getrappel. Im Morgengrauen ließen die Erregung und der Schmerz nach, und er konnte ein paar Stunden schlafen. Dann fuhr er erschreckt hoch. Er hatte einen Alptraum gehabt, er erinnerte sich nicht, was es gewesen war. Er verbrachte die Stunden des neuen Tages damit, durch die Fenster zu spähen und auf das Erscheinen des Jeeps zu warten. Es gab nichts zu essen im Haus, aber er hatte keinen Hunger. Die Schlückchen destilliertes Wasser, die er von Zeit zu Zeit nahm, beschäftigten seinen Magen. Aber ihn quälte die Einsamkeit, die Langeweile, das Fehlen von Nachrichten. Wenn es wenigstens ein Radio gäbe! Er widerstand der Versuchung, hinaus und bis zu einem bewohnten Ort zu gehen, auf der Suche nach einer Zeitung. Halt die Ungeduld im Zaum, Junge. Tono Sánchez wird schon kommen.
Er kam erst am drittenTag. Er erschien am Mittag des 2. Juni, an dem Tag, an dem Amadito, halbtot vor Hunger und verzweifelt durch das Fehlen von Nachrichten, zweiunddreißig Jahre alt wurde. Tono war nicht mehr der ungezwungene, herzliche, selbstsichere Mann, der ihn hergebracht hatte. Er war blaß, nervös, unrasiert und stotterte. Er reichte ihm eine Thermosflasche mit heißem Kaffee und ein paar Sandwichs mit Schlackwurst und Käse, die Amadito hinunterschlang, während er den schlechten Nachrichten zuhörte. Sein Bild war in allen Zeitungen, und sie zeigten es alle Augenblicke im Fernsehen, zusammen mit denen von General Juan Tomás Díaz, Antonio de la Maza, Estrella Sadhalá, Fifí Pastoriza, Pedro Livio Cedeno, Antonio Imbert, Huáscar Tejeda und Luis Amiama. Pedro Livio Cedeno, der in ihrer Gewalt war, hatte sie verraten. Sie boten jedem, der Information über sie besaß, riesige Geldsummen. Alle, die verdächtig waren, Trujillo-Gegner zu sein, wurden grausam verfolgt. Doktor Durán Barreras war am Vorabend festgenommen worden; Tono glaubte, daß er sie unter der Folter am Ende verraten würde. Es war höchst gefährlich, daß Amadito hierblieb.
»Ich würde nicht hierbleiben, auch wenn es ein sicheres Versteck wäre«,
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