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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Hand, wenn ich töten muß«, sagte er nach einer Pause. »Regieren verlangt zuweilen, daß man sich mit Blut befleckt. Für dieses Land habe ich es oft tun müssen. Aber ich bin ein Mann der Ehre. Den Treuen lasse ich Gerechtigkeit widerfahren, ich lasse sie nicht umbringen. Octavio war loyal, ein Mann des Regimes, ein bewährter Trujillo-Anhänger. Deshalb habe ich mich eingesetzt, damit er nicht ins Gefängnis kam, als ihm in London die Hand ausrutschte und er Luis Bernardino erschoß. Der Tod Octavios wird untersucht. Du und deine Familie, ihr könnt euch an der Arbeit der Kommission beteiligen.«
    Trujillo wandte sich um und kehrte in der gleichen gemes
    senen Weise zu seinem Schreibtisch zurück. Warum hatte er sich nicht auf ihn gestürzt, als er ihn so nah vor sich hatte? Das fragte er sich nach viereinhalb Jahren noch immer. Nicht, weil er auch nur ein Wort von dem geglaubt hätte, was er sagte. Das war Teil der Farce, für die Trujillo eine so große Vorliebe besaß und hinter der die Diktatur ihre Verbrechen versteckte, gleichsam eine sarkastische Begleitmusik zu den düsteren Tatsachen, auf denen sie errichtet war. Warum dann? Nicht aus Angst davor, zu sterben, denn zu seinen eingestandenen Unzulänglichkeiten hatte nie die Angst vor dem Tod gehört. Seit den Tagen, da er mit einem kleinen Trupp von horacistas den Diktator mit der Waffe in der Hand bekämpft hatte, hatte er sein Leben viele Male aufs Spiel gesetzt. Es war subtiler und undefinierbarer als die Angst: es war die Lähmung, die Betäubung der Entschlußkraft, des Verstandes, des freien Willens, die diese bis zur Lächerlichkeit herausgeputzte Person mit der hohen dünnen Stimme und den hypnotischen Augen bei armen und reichen, gebildeten und ungebildeten, freundlich und feindlich gesinnten Dominikanern auslöste, die ihn stumm und passiv verharren ließ, während er den Lügengeschichten zuhörte, einsamer Zuschauer dieses Bluffs, unfähig, seinen Entschluß, sich auf ihn zu stürzen und den Hexensabatt zu beenden, in den
    sich die Geschichte des Landes verwandelt hatte, in die Tat umzusetzen.
    »Als Beweis, daß das Regime die Familie de la Maza als loyale Familie betrachtet, hat man dir außerdem heute morgen die Konzession für den Bau des Abschnitts der Straße Santiago – Puerto Plata erteilt.« Er machte eine weitere Pause, befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen und schloß mit einem Satz, der auch besagte, daß das Gespräch beendet war: »So kannst du der Witwe von Octavio helfen. Die arme Altagracia wird Schwierigkeiten haben. Grüße sie von mir und auch deine Eltern.«
    Antonio verließ den Regierungspalast benommener als
    nach einer durchzechten Nacht. War er das? Hatte er mit eigenen Ohren gehört, was dieser Hurensohn gesagt hatte? Hatte er Trujillos Erklärungen akzeptiert und sogar ein Geschäft, ein Linsengericht, das ihm erlauben würde, einige tausend Pesos in die Tasche zu stecken, um seine Bitterkeit hinunterzuschlucken und ein Komplize – ja, ein Komplize – des Mordes an Tavito zu werden? Warum hatte er nicht einmal gewagt, ihn zu beschimpfen, ihm zu sagen, daß er genau wußte, daß der Leichnam, den man vor die Haustür seiner Schwägerin geworfen hatte, auf sein Konto ging, wie Murphy zuvor, und daß er mit seinem Sinn für Melodramatik auch das Vertuschungsmanöver mit dem schwulen Gringo-Piloten und der Reue Tavitos über den Mord an ihm inszeniert hatte?
    Statt an jenem Morgen nach Moca zurückzukehren, landete Antonio, ohne zu wissen, wie ihm geschah, in einem elenden Amüsierschuppen, El Bombillo Rojo, an der Ecke Vicente Noble und Barahona, dessen Besitzer, der verrückte Frías, Tanzwettbewerbe veranstaltete. Er trank unzählige Gläser Rum, in sich versunken, während er wie aus großer Ferne Merengue-Musik aus Cibao hörte (San Antonio, Con el alma, Juanita Morel, Jarro pichao), und versuchte in einem bestimmten Augenblick, ohne jede Erklärung, auf den Musiker mit den Rumbakugeln einzuschlagen, der in dem kleinen Orchester des Lokals spielte. Die
    Betrunkenheit vernebelte das Ziel, seine Faust traf die Luft, und er fiel zu Boden, von dem er nicht mehr aufstehen konnte.
    Als er einen Tag später nach Moca kam, übernächtigt und abgerissen, wurde er im Familienhaus von seinem Vater Don Vicente, seinem Bruder Ernesto, seiner Mutter und seiner Frau Aída mit einem Ausdruck des Entsetzens erwartet. Es war seine Frau, die sich mit vor Empörung bebender Stimme an ihn wandte:
    »Überall wird

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