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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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der Dominikanischen Fluggesellschaft arbeitete. Murphy und Tavito flogen gemeinsam und hatten
    enge Freundschaft geschlossen.
    All das erfuhr Antonio nach und nach durch Rundfunksender in Puerto Rico und Venezuela oder durch die Stimme Amerikas, die man auf Kurzwelle empfangen konnte, oder durch Exemplare des Miami Herald und der New York Times, die in Taschen und unter Uniformen von Piloten und Stewardessen ins Land geschmuggelt wurden, denn die Zensur erlaubte nicht, daß die dominikanischen Tageszeitungen und Radiosender über das Thema berichteten.
    Als sieben Monate nach dem Verschwinden von Galíndez der Name Murphy in der internationalen Presse als der des Flugzeugpiloten erschien, der den narkotisierten Galíndez aus den Vereinigten Staaten ausgeflogen und in die Dominikanische Republik gebracht hatte, überlegte Antonio nicht lange
    er kannte Murphy durch Tavito, sie hatten zu dritt in der Casa de Espana in der Galle de Padre Billini eine mit RiojaWein begossene Paella gegessen –, setzte sich in Tirolí, an der haitianischen Grenze, in seinen Lieferwagen und fuhr mit durchgetretenem Gaspedal nach Ciudad Trujillo, während ihm vor pessimistischen Ahnungen fast der Kopf zersprang. Er fand Tavito völlig ruhig in seinem Haus vor, wo er mit seiner Frau Altagracia eine Partie Bridge spielte. Um seine Schwägerin nicht zu beunruhigen, nahm Antonio ihn ins laute Típico Najayo mit, wo man dank der Musik der Combo von Ramón Gallardo und ihres Sängers Rafael Martínez reden konnte, ohne daß indiskrete Ohren die Unterhaltung hörten. Nachdem Antonio Ziegenbraten und zwei Flaschen Bier Marke Präsident bestellt hatte, riet er Tavito ohne Umschweife, um Asyl in einer Botschaft nachzusuchen. Sein jüngerer Bruder brach in Lachen aus: was für ein Unsinn. Er wußte nicht einmal, daß der Name Murphy in der gesamten nordamerikanischen Presse stand. Er war nicht beunruhigt. Sein Vertrauen in Trujillo war so grenzenlos wie seine Naivität.
    »Ich muß dem kleinen Gringo Bescheid sagen«, hörte Antonio ihn zu seiner Verblüffung sagen. »Er verkauft nämlich gerade seine Sachen, er hat beschlossen, in die Vereinigten Staaten zurückzukehren, um zu heiraten. Er hat eine Freundin in Oregon. Da würde er ja direkt in die Höhle des Löwen gehen. Hier wird ihm nichts passieren. Hier befiehlt der Chef, Bruderherz.«
    Antonio ließ nicht zu, daß er die Sache scherzhaft nahm. Ohne die Stimme zu heben, um an den Nachbartischen keine Aufmerksamkeit zu erregen, mit dumpfem Zorn angesichts von soviel Einfalt, versuchte er, es ihm begreiflich zu machen:
    »Kapierst du nicht, du Idiot? Die Sache ist ernst. Die Entführung von Galíndez hat Trujillo in eine sehr heikle Lage gegenüber den Yankees gebracht. Bei allen, die an der Entführung beteiligt waren, hängt das Leben an einem seidenen Faden. Murphy und du, ihr seid höchst gefährliche Zeugen. Und du womöglich noch mehr als Murphy. Denn du hast Ga
    líndez zur Hacienda Fundación geflogen, zum Haus von Trujillo selbst. Wo hast du nur deinen Kopf?« »Ich habe keinen Galíndez geflogen«, beharrte sein Bruder, während er sein Glas gegen seines stieß. »Ich habe einen Typen geflogen, von dem ich nicht wußte, wer er war, einen Sturzbetrunkenen. Ich weiß nichts. Warum sollte ich dem Chef nicht vertrauen? Hat er denn nicht mir vertraut in einer so wichtigen Mission?« Als sie sich in jener Nacht vor Tavitos Haustür verabschiedeten, gab dieser endlich dem beharrlichen Drängen seines älteren Bruders nach. Na gut, er würde sich den Vorschlag überlegen. Und er solle sich keine Sorgen machen: Er würde schön den Mund halten. Es war das letzte Mal, daß Antonio ihn lebend sah. Drei Tage nach diesem Gespräch verschwand Murphy. Als Antonio nach Ciudad Trujillo zurückkehrte, war Tavito verhaftet worden. Er befand sich im Gefängnis La Victoria, ohne Verbindung zur Außenwelt. Antonio ersuchte persönlich um eine Audienz beim Generalissimus, aber dieser empfing ihn nicht. Er wollte mit Oberst Cobián Parra sprechen, dem Chef des SIM, aber der war unsichtbar geworden, und wenig später wurde er von einem Soldaten in seinem Büro auf einen Befehl Trujillos hin umgebracht. In den folgenden achtundvierzig Stunden sprach Antonio am Telefon oder persönlich bei allen führenden Personen und hohen Funktionären des Regimes vor, die er kannte, vom Senatspräsidenten Agustín Cabral bis zum Präsidenten der Dominikanischen Partei, Älvarez Pina. Alle reagierten mit der gleichen

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