Das Fest des Ziegenbocks
beteten, wußten, wie sehr der Chef den tragischen Tod dieses Fliegers bedauerte, »einer der treuesten, ergebensten und mutigsten meiner Anhänger«, wie es in dem Beileidsschreiben hieß. Am Tag nach dem Begräbnis stiegen zwei Militäradjutanten vor dem Haus der Familie de la Maza in Moca aus einem Cadillac mit Regierungskennzeichen. Sie kamen Antonio holen. »Bin ich verhaftet?«
»Keineswegs«, beeilte sich Oberleutnant Roberto Figueroa Carrión zu erklären. »Seine Exzellenz möchte Sie sehen.« Antonio machte sich nicht die Mühe, eine Pistole in die Tasche zu stecken. Er nahm an, daß sie ihn entwaffnen würden, bevor sie ihn in den Regierungspalast führten, wenn sie ihn überhaupt dorthin brachten und nicht nach La Victoria oder La Cuarenta oder nicht den Befehl hatten, ihn auf dem Weg in irgendeinen Abgrund zu werfen. Es war ihm egal. Er wußte, wie stark er war, und auch, daß seine durch den Haß verdoppelte Kraft ausreichen würde, den Tyrannen zu vernichten, wie er es am Vorabend geschworen hatte. Er sann über die Entscheidung nach, entschlossen, sie in die Tat umzusetzen, obwohl er wußte, daß sie ihn töten würden, bevor er fliehen konnte. Er würde diesen Preis bezahlen, wenn er nur dem Despoten ein Ende machen konnte, der sein Leben und das seiner Familie zerstört hatte.
Als sie aus dem Dienstwagen gestiegen waren, eskortierten ihn die Adjutanten zum Amtszimmer des Wohltäters, ohne daß jemand ihn durchsucht hätte. Die Offiziere mußten präzise Anweisungen haben; kaum antwortete die unverwechselbare schrille Stimme »Herein«, wichen Oberleutnant Roberto Figueroa Carrión und sein Gefährte zur Seite und ließen ihn allein eintreten. Das Zimmer lag im Halbdunkel, wegen der angelehnten Läden des Fensters, das auf den Garten hinausging. Der Generalissimus saß am Schreibtisch und trug eine Uniform, an die Antonio sich nicht erinnern konnte: lange weiße Uniformjacke mit Rockschößen, goldener Knopfleiste und großen Epauletten mit goldenen Fransen, die auf die Brust herabfielen, an der ein bunter Fächer von Medaillen und Ehrenzeichen hing, dazu eine hellblaue Hose aus Flanell mit weißem Seitenstreifen. Er war wohl im Begriff, irgendeiner
militärischen Zeremonie beizuwohnen. Das Licht der Schreibtischlampe erleuchtete das sorgfältig rasierte breite Gesicht, das tadellos anliegende graue Haar und den kleinen, von Hitler abgeschauten Lippenbart (den, wie Antonio einmal von ihm gehört hatte, der Chef »nicht wegen seiner Ideen« bewunderte, sondern »wegen seiner Art, die Uniform zu tragen und die Truppenaufmärsche zu präsidieren«). Der starre, direkte Blick ließ Antonio wie angewurzelt stehenbleiben, als er kaum die Schwelle überschritten hatte. Trujillo redete ihn an, nachdem er ihn eine Weile gemustert hatte:
»Ich weiß, daß du glaubst, ich habe Octavio umbringen lassen, und daß die Sache mit seinem Selbstmord eine vom Geheimdienst aufgeführte Farce ist. Ich habe dich kommen lassen, um dir persönlich zu sagen, daß du dich irrst. Octavio war ein Mann des Regimes. Er war immer loyal, mir treu ergeben. Ich habe eine Kommission unter dem Vorsitz des Anwalts und Generalstaatsanwalts der Republik, Francisco Elpidio Beras, ernannt. Mit weitestgehenden Vollmachten, alle zu befragen, Militär- und Zivilpersonen. Wenn das mit seinem Selbstmord nicht wahr ist, werden die Schuldigen dafür zahlen.« Er sprach ohne Feindseligkeit und ohne Betonungen, während er ihm direkt und gebieterisch in die Augen sah, so wie er immer zu Untergebenen, Freunden und Feinden sprach. Antonio verharrte reglos, entschlossener denn je, dem Heuchler an den Hals zu springen, ihm die Kehle zuzudrücken und ihm keine Zeit zu lassen, um Hilfe zu rufen. Als wollte er ihm die Aufgabe erleichtern, stand Trujillo auf und kam auf ihn zu, mit langsamen, feierlichen Schritten. Seine schwarzen Schuhe glänzten noch mehr als die polierten Hölzer des Amtszimmers. »Ich habe auch dem FBI gestattet, hier Nachforschungen über den Tod dieses Murphy anzustellen«, fügte er hinzu, im gleichen hohen, dünnen Ton. »Das ist natürlich eine Verletzung unserer Souveränität. Würden die Gringos erlauben, daß unsere Polizei den Mord an einem Dominikaner in New York, Washington oder Miami untersucht? Sie sollen nur kommen. Die Welt soll wissen, daß wir nichts zu verbergen haben.«
Er stand einen Meter entfernt. Antonio konnte dem ruhigen Blick Trujillos nicht standhalten und blinzelte unaufhörlich. »Mir zittert nicht die
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