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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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erzählt, daß Trujillo dir das Maul mit der Straße von Santiago nach Puerto Plata gestopft hat. Ich weiß nicht, wie viele Leute angerufen haben.« Antonio erinnerte sich an sein Erstaunen, als er hörte, wie Aída ihn vor seinen Eltern und Ernesto zur Rechenschaft zog. Sie, die exemplarische dominikanische Ehefrau, still, gefällig, duldsam, die seine Besäufnisse, die Abenteuer mit Frauen, die Händel, die außer Haus verbrachten Nächte ertrug und ihn immer mit freundlichem Gesicht empfing, ihn aufmunterte, sogleich die Entschuldigungen glaubte, wenn er ihr welche zu geben geruhte, und in jeder Sonntagsmesse, in den Novenen, in Beichte und Gebet Trost für die Widrigkeiten suchte, aus denen ihr Leben bestand.
    »Ich konnte mich nicht wegen einer bloßen Geste umbringen lassen«, sagte er, während er sich in den alten Schaukelstuhl fallen ließ, in dem Don Vicente zur Stunde der Siesta sein Nickerchen hielt. »Ich habe getan, als würde ich seine Erklärungen glauben, als würde ich mich kaufen lassen.«
    Er fühlte eine Erschöpfung wie von Jahrhunderten, während er sprach und die Blicke seiner Frau, von Ernesto und von seinen Eltern ihn mit heißer Scham erfüllten. »Was hätte ich sonst tun können? Du darfst nicht schlecht von mir denken, Papa. Ich habe geschworen, Tavito zu rächen. Ich werde es tun, Mama. Du wirst dich meiner niemals schämen müssen, Aída. Ich schwöre es dir. Ich schwöre es euch noch einmal.«
    Dieser Schwur würde jeden Augenblick in Erfüllung gehen. In zehn Minuten, in einer Minute würde der Chevrolet auftauchen, in dem der alte Fuchs jede Woche zum Mahagonihaus in San Cristóbal fuhr, und dann würde der Mörder von Galíndez, von Murphy, von Tavito, der Schwestern Mirabal und Tausender Dominikaner durch einen sorgfältig ausgeklügelten Plan unter den Kugeln von jemandem zusammenbrechen, der auch zu seinen Opfern gehörte, Antonio de la Maza, den Trujillo ebenfalls getötet hatte, langsamer und perverser als diejenigen, die er erschossen, erschlagen oder den Haien zum Fraß vorgeworfen hatte. Ihn hatte er stückchenweise getötet, indem er ihm den Anstand, die Ehre, die Selbstachtung, die Lebensfreude, die Hoffnungen, die Wünsche genommen hatte, und ihn am Ende in ein Etwas aus Haut und Knochen verwandelt, gequält von dem schlechten Gewissen, das ihn seit so vielen Jahren allmählich zerstörte.
    »Ich werde mir mal die Beine vertreten«, hörte er Salvador sagen. »Sie sind mir eingeschlafen vom langen Sitzen.« Er sah, wie der Türke aus dem Wagen stieg und am Straßenrand ein paar Schritte machte. War Salvador so nervös wie er? Zweifellos. Und Tony Imbert und Amadito ebenfalls. Und genauso, weiter vorne, Roberto Pastoriza, Huáscar Tejeda und Pedro Livio Cedeno. Sie alle waren zermürbt von der Furcht, etwas, jemand könnte den Ziegenbock hindern, sich zu diesem Stelldichein einzufinden. Aber er allein hatte mit Trujillo eine alte Rechnung zu begleichen. Keinem seiner sechs Gefährten, auch nicht den Dutzenden anderen, die, wie Juan Tomás Diaz, an der Verschwörung beteiligt waren, hatte er so geschadet wie Antonio. Er warf einen Blick durch das Fenster: Der Türke schüttelte mit energischen Bewegungen die Beine aus. Er konnte erkennen, daß Salvador den Revolver in der Hand hielt. Er sah, wie er zum Auto zurückkehrte und wieder seinen Platz auf dem Rücksitz neben Amadito einnahm. »Na ja, wenn er nicht kommt, dann gehen wir halt ins Pony und trinken ein schön kaltes Bier«, hörte er ihn betrübt sagen.
    Nach jenem Streit hatten er und Salvador sich monatelang nicht gesehen. Sie waren bei gesellschaftlichen Anlässen zusammengetroffen, aber sie grüßten sich nicht. Dieser Bruch
    verschlimmerte die innere Qual, in der er lebte. Als die Verschwörung schon weit fortgeschritten war, überwand sich Antonio, erschien in der Mahatma Gandhi 21 und ging geradewegs in das Wohnzimmer, in dem sich Salvador befand.
    »Es ist sinnlos, unsere Kräfte zu verzetteln«, sagte er als Begrüßung zu ihm. »Deine Pläne für die Ermordung des Ziegenbocks sind Kinderkram. Du und Imbert, ihr müßt euch mit uns zusammentun. Unsere Pläne sind im fortgeschrittenen Stadium und können nicht schiefgehen.« Salvador schaute ihm in die Augen, ohne etwas zu sagen. Er machte keine feindselige Geste und warf ihn auch nicht aus dem Haus.
    »Ich habe die Unterstützung der Gringos«, erklärte Antonio ihm mit leiser Stimme. »Seit zwei Monaten verhandle ich mit der Botschaft um die Einzelheiten.

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