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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Besorgnis, alle sagten ihm, das Beste, was er zu seiner eigenen Sicherheit und der seiner Angehörigen tun könne, sei, nicht länger Leute anzurufen und aufzusuchen, die ihm nicht helfen konnten und die er ebenfalls in Gefahr brachte. »Es war, als würde man mit dem Kopf gegen die Wand rennen«, sagte Antonio später zu General Juan Tomás Díaz. Hätte Trujillo ihn empfangen, er hätte ihn angefleht, wäre auf die Knie gefallen, hätte alles getan, um Tavito zu retten.
    Bald darauf hielt im Morgengrauen ein Wagen des SIM mit caliés in Zivil, bewaffnet mit Maschinenpistolen, vor Tavito de la Mazas Haustür. Sie zerrten seinen Leichnam heraus und warfen ihn in den kleinen Vorgarten, zwischen die Bougainvilleen. Und Altagracia, die im Nachthemd aus der Tür getreten war und entsetzt zuschaute, riefen sie im Fortgehen zu:
    »Ihr Mann hat sich im Gefängnis aufgehängt. Wir haben ihn hergebracht, damit Sie ihn begraben können, wie es sich gehört.«
    ›Aber nicht einmal das war das Schlimmste‹, dachte Antonio. Nein, Tavitos Leichnam zu sehen, den Strick des angeblichen Selbstmords noch immer um den Hals, seinen Körper, den die caliés des SIM, diese bestallten Verbrecher, wie den eines Hundes vor die Schwelle seines Hauses geworfen hatten, war nicht das Schlimmste. Das hatte Antonio sich Dutzende, Hunderte von Malen wiederholt in diesen viereinhalb Jahren, während er seine Tage und Nächte und alles, was ihm an Klarsicht und Verstand noch übriggeblieben war, auf den Racheplan verwandte, der heute abend – Gott sei Dank – zur Durchführung gelangen sollte. Das Schlimmste war der zweite Tod Tavitos gewesen, Tage nach dem ersten, als das Regime unter Aufbietung seines gesamten Informations- und Propagandaapparats – El Caribe und La Nación, Rundfunk und Fernsehen der Dominikanischen Stimme, die Rundfunksender Die Stimme der Tropen und Radio Karibik und ein Dutzend regionaler Blättchen und Sender – in einem seiner schaurigsten Vertuschungsmanöver einen angeblichen handschriftlichen Brief Octavio de la Mazas verbreitete, in dem dieser den Grund seines Selbstmords offenbarte. Die Reue darüber, daß er den Piloten Murphy, seinen Freund und Gefährten bei der Dominikanischen Fluggesellschaft, eigenhändig ermordet hatte! Nicht zufrieden damit, ihn umbringen zu lassen, hatte der Ziegenbock, um die Spuren der Geschichte mit Galíndez zu verwischen, das makabre Raffinement besessen, aus Tavito einen Mörder zu machen. Auf diese Weise befreite er sich von beiden lästigen Zeugen. Und um das Ganze noch abstoßender zu machen, stand in Tavitos handgeschriebenem Brief, warum er Murphy
    umgebracht hatte: weil der ihm als Schwuler auf den Leib gerückt war. Er hatte seinen jüngeren Bruder, in den er sich verliebt hatte, angeblich derart bedrängt, daß Tavito mit der Tatkraft eines guten Macho reagiert und seine Ehre reingewaschen hatte, indem er den Entarteten getötet und sein Verbrechen als Unfall getarnt hatte.
    Er mußte sich auf dem Sitz des Chevrolet nach vorne beugen und das abgesägte Gewehr gegen seinen Magen pressen, um den Krampf zu verbergen, den er gerade gespürt hatte. Seine Frau bat ihn ständig, zum Arzt zu gehen, denn diese Beschwerden konnten auf ein Magengeschwür oder auf etwas Schlimmeres hindeuten, aber er weigerte sich. Er brauchte keine Ärzte, um zu wissen, daß sein Organismus in diesen letzten Jahren als Reaktion auf seine Verbitterung gelitten hatte. Seit dem Geschehen um Tavito hatte er jede Hoffnung, jede Begeisterung, jede Liebe zu diesem Leben oder dem anderen verloren. Nur der Gedanke der Rache hielt ihn aufrecht; er lebte nur, um den Schwur zu erfüllen, den er mit lauter Stimme getan und mit dem er die Bewohner von Moca in Angst und Schrecken versetzt hatte, die gekommen waren, um die Familie de la Maza – Eltern, Brüder und Schwestern, Schwager und Schwägerinnen, Nichten, Neffen, Söhne, Enkel, Onkel und Tanten – bei der Totenwache zu begleiten:
    »Bei Gott dem Allheiligen, ich werde mit meinen eigenen Händen den Hurensohn töten, der das getan hat!« Alle wußten, daß er den Wohltäter meinte, den Vater des Neuen Vaterlandes, den Generalissimus Dr. Rafael L. Trujillo Molina, dessen Grabkranz mit frischen, duftenden Blumen der spektakulärste im Zimmer mit dem erleuchteten Katafalk war. Die Familie de la Maza wagte nicht, ihn zurückzuweisen oder von der Stelle zu entfernen, wo er so sichtbar lag, damit alle, die hereintraten und vor dem Katafalk das Kreuz schlugen und

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