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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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traf selbst Leute, die dem Regime nahestanden. Zum Beispiel das Söhnchen, der schöne Ramfis, was hat er sich alles herausgenommen. Wie hast du bei dem Gedanken gezittert, er könnte ein Auge auf mich werfen!« Ihr Vater wußte nicht, weil Urania es ihm nie gesagt hatte, daß sie und ihre Klassenkameradinnen in der SantoDomingo-Schule und vielleicht alle Mädchen ihrer Generation von Ramfis träumten. Mit seinem kleinen gestutzten Lippenbart, der ihn wie ein Galan aus einem mexikanischen Film aussehen ließ, mit seiner Ray-BanBrille, seinen taillierten Anzügen und seinen verschiedenen Uniformen als Chef der Dominikanischen Fluggesellschaft, seinen großen dunklen Augen, seiner athletischen Figur, seinen goldenen Uhren und Ringen und seinem Mercedes Benz schien er der Liebling der Götter zu sein: reich, mächtig, gutaussehend, gesund, stark, glücklich. Du kannst dich sehr gut an ihn erinnern; wenn die Sisters euch weder sehen noch hören konnten, habt ihr euch eure Sammlungen mit Photos von Ramfis Trujillo gezeigt, in Zivil, in Uniform, mit Badehose, mit Krawatte, in Sportkleidung, in Abendkleidung, im Reitdreß, als Kapitän der dominikanischen Polomannschaft oder am Steuer seines Flugzeugs sitzend. Sie phantasierten, daß sie ihn gesehen, mit ihm gesprochen hatten, im Klub, während der Jubiläumsfeierlichkeiten, beim Staatsfeiertag, bei der Parade, beim Wohltätigkeitsfest, und später, als sie wagten, solche Dinge zu sagen – errötend, erschrocken, weil sie wußten, daß es Sünde in Wort und Gedanken war und sie es dem Kaplan würden beichten müssen –, tuschelten sie, wie schön, wie herrlich, von Ramfis Trujillo geliebt, geküßt, umarmt, gestreichelt zu werden.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich von ihm geträumt habe, Papa.«
    Ihr Vater lacht nicht. Er ist wieder zusammengezuckt und hat die Augen weit aufgerissen, als er den Namen des ältesten Sohnes vonTrujillo gehört hat. Lieblingssohn und eben deshalb Trujillos größte Enttäuschung. Der Vater des Neuen Vaterlandes hätte es gern gesehen, wenn sein Erstgeborener – »War er überhaupt sein Sohn, Papa?« – seinen Machthunger gehabt hätte und so tatkräftig und effizient gewesen wäre wie er. Aber Ramfis hatte keinen seiner Vorzüge oder Fehler von ihm geerbt, außer vielleicht den ungestümen Drang zur Kopulation, das Bedürfnis, sich Frauen ins Bett zu holen, um sich seine Männlichkeit zu beweisen. Es mangelte ihm an politischem Ehrgeiz, an jedem Ehrgeiz, er war träge, neigte zu Depressionen, zu neurotischer Introvertiertheit, war geplagt von Komplexen, Ängsten und Hemmungen, und sein Verhalten schwankte zwischen hysterischen Ausbrüchen und langen Phasen von Willenslähmung, die er in Drogen und Alkohol ertränkte. »Weißt du, was in den Biographien über den Chef steht, Papa? Daß er so wurde, als er erfuhr, daß seine Mutter bei seiner Geburt noch nicht mit Trujillo verheiratet war. Daß seine Depressionen anfingen, als man ihm sagte, daß sein wirklicher Vater Doktor Dominici war, dieser Kubaner, den Trujillo umbringen ließ, der erste Liebhaber von Doña Maria Martínez, als diese sich in ihren Träumen noch nicht als Vortreffliche Dame sah, in Armut lebte und unter dem Spitznamen »la Espanolita«
    einen zweifelhaften Lebenswandel führte. Du lachst? Ich kann es nicht glauben.«
    Mag sein, daß er lacht. Es kann aber auch nur eine Erschlaffung seiner Gesichtsmuskeln sein. Jedenfalls ist es nicht das Gesicht von jemandem, der sich amüsiert; eher das von jemandem, der gerade gegähnt oder geschrien hat und dessen Kiefer herabhängt, während die Augen verdreht, die Nasenlöcher geweitet sind, der Schlund offensteht und ein dunkles, zahnloses Loch zeigt. »Soll ich die Krankenschwester rufen?« Der Invalide klappt den Mund zu, entspannt das Gesicht und nimmt wieder den aufmerksamen, alarmierten Ausdruck an. Er verharrt in sich zusammengesunken, still, wartend. Urania wird von einem plötzlichen Sittichgezeter abgelenkt, das in das Zimmer einbricht. Es hört so rasch auf, wie es begonnen hat. Die Sonne strahlt; ihre Lanzen treffen auf Dächer und Fensterscheiben und beginnen das Zimmer zu erwärmen.
    »Weißt du, was? Bei allem Haß, den ich auf deinen Chef, auf seine Familie, auf alles hatte und noch immer habe, was nach Trujillo riecht, wenn ich an Ramfis denke oder etwas über ihn lese, dann kann ich, ehrlich gesagt, nicht anders, als ihn zu bedauern und zu bemitleiden.« Er war ein Ungeheuer gewesen, wie diese ganze

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