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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Sanktionen stimmten. Und am 25. November 1960 – Imbert spürte den Stich in der Brust, der ihn unvermeidlich jedesmal durchfuhr, wenn er an den düsteren Tag dachte – die Ermordung der drei Schwestern Minerva, Patria und Maria Teresa Mirabal und des Chauffeurs, der sie fuhr, in La Cumbre, hoch in der nördlichen Kordillere, als sie von einem Besuch bei den Ehemännern von Minerva und Maria Teresa zurückkehrten, die in der Festung von Puerto Plata einsaßen.
    Die ganze Dominikanische Republik erfuhr von diesem Massaker in der raschen, geheimnisvollen Weise, in der die Nachrichten von Mund zu Mund und von Haus zu Haus gehen und in wenigen Stunden die entferntesten Winkel erreichen, obwohl nicht eine einzige Zeile in der Presse steht und diese vom menschlichen Tamtam übermittelten Nachrichten auf ihrem Weg oft ausgeschmückt, verzerrt oder übertrieben werden, bis sie sich in Mythen, Legenden, Fiktionen fast ohne Bezug zum Geschehnis verwandeln. Er erinnerte sich an jenen Abend auf der Uferpromenade, nicht weit von der Stelle, wo er jetzt, sechs Monate später, auf den Ziegenbock wartete – auch, um diese Frauen zu rächen. Sie saßen auf der steinernen Brüstung, wie jeden Abend – er, Salvador und Amadito und jenes Mal auch Antonio de la Maza – , um frische Luft zu schöpfen und vor indiskreten Ohren geschützt zu reden. Alle vier bissen sie die Zähne zusammen und fühlten Übelkeit im Gedanken an das, was den Schwestern Mirabal geschehen war, während sie über den Tod sprachen, den die drei unglaublichen Frauen in den Höhen der Kordillere, bei einem angeblichen Autounfall, gefunden hatten.
    »Sie bringen unsere Väter, unsere Brüder, unsere Freunde um. Und jetzt auch unsere Frauen. Und wir warten ergeben darauf, bis wir an der Reihe sind«, hörte er sich sagen. »Von wegen ergeben, Tony.« Antonio de la Maza fuhr hoch. Er war von Restauración gekommen; er hatte ihnen die unterwegs aufgeschnappte Nachricht vom Tod der Schwestern Mirabal gebracht. »Trujillo wird dafür bezahlen. Die Dinge gehen ihren Gang. Aber man muß es richtig machen.«
    Zu jener Zeit liefen die Vorbereitungen für das Attentat in Moca, während eines Besuchs von Trujillo in der Heimat der Familie de la Maza im Zuge der Rundreisen, die er seit der Verurteilung durch die OAS und seit Inkrafttreten der Wirtschaftssanktionen unternahm. Eine Bombe sollte in der Herz-Jesu-Hauptkirche explodieren und ein gewaltiges Gewehrfeuer von den Baikonen, Flachdächern und dem Kirchturm auf Trujillo herunterprasseln, während er von der Tribüne auf dem Vorplatz zu den Leuten sprach, die sich um die halb von Bougainvilleen bedeckte Statue von Don Bosco drängten. Imbert persönlich inspizierte die Kirche und bot an, sich im Kirchturm zu verschanzen, dem riskantesten Ort.
    »Tony kannte die Schwestern Mirabal«, erklärte der Türke Antonio. »Deshalb geht es ihm so nahe.« Er kannte sie, wenn auch nicht besonders nahe. Er war ihnen und den Ehemännern von Minerva und Patria, Manolo Tavárez Justo und Leandro Guzmán, gelegentlich bei den Treffen der Gruppen begegnet, in denen sich die Bewegung 14. Juni nach dem Vorbild von Duartes historischer Geheimgesellschaft La Trinitaria organisierte. Alle drei waren sie führend in dieser so spärlich bestückten wie begeisterten, aber regellosen und ineffizienten Organisation, die infolge der Repression allmählich zerfiel. Die Schwestern hatten ihn durch ihre Überzeugung und die Unerschrockenheit beeindruckt, mit der sie sich in diesem so ungleichen, Ungewissen Kampf engagierten; vor allem Minerva Mirabal. So ging es allen, die ihr begegneten und erlebten, wie sie ihre Meinung äußerte, diskutierte, Vorschläge machte oder Entscheidungen traf. Früher war ihm das nicht klargeworden, aber nach dem Mord sagte sich Tony Imbert, daß ihm vor seiner Begegnung mit Minerva Mirabal niemals in den Sinn gekommen war, eine Frau könnte sich so männlichen Dingen widmen, wie eine Revolution vorzubereiten, Waffen, Dynamit, Molotowcocktails, Messer, Bajonette zu beschaffen und zu verstecken, über Attentate, Strategie und Taktik zu sprechen und mit kalter Gelassenheit darüber zu diskutieren, ob die Aktivisten, wenn sie dem SIM in die Hände fielen, Gift schlucken sollten, um nicht Gefahr zu laufen, die Gefährten unter der Folter zu verraten.
    Minerva sprach über diese Dinge und über die beste Art und Weise, heimlich Propaganda zu machen oder Studenten in der Universität zu gewinnen, und alle hörten ihr zu. Weil

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