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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Jenseits mitzunehmen, bevor sie ihn durchsiebten. Er würde nicht zulassen, daß man ihm die Fingernägel mit Kneifzangen herausriß, die Zunge abschnitt oder ihn auf den elektrischen Stuhl setzte. Töten konnten sie ihn, quälen niemals.
    Er schickte Guarina, seine Frau, und seineTochter Leslie, die nichts von der Sache wußten, unter einem Vorwand auf das Landgut einiger Verwandter in La Romana, setzte sich mit einem Glas Rum hin und wartete. Er hatte den geladenen, entsicherten Revolver in der Tasche. Aber weder an diesem Tag noch am nächsten oder am übernächsten erschienen die caliés bei ihm zu Hause oder in seinem Büro der Firma Mezcia Lista, in das er mit der ganzen Kaltblütigkeit, deren er fähig war, weiterhin regelmäßig ging. Luis und Ivan hatten ihn nicht verraten, auch keiner der Leute, mit denen er in den Untergrundgruppen verkehrt hatte. Wie durch ein Wunder entging er einer Repression, die Schuldige und Unschuldige traf, die Gefängnisse füllte und zum ersten Mal in den neunundzwanzig Jahren des Regimes die Familien der Mittelklasse, die traditionellen Stützen Trujillos, in Angst und Schrecken versetzte, denn ihnen entstammte der Großteil der Gefangenen der Bewegung, die aufgrund jener gescheiterten Invasion Bewegung 14. Juni genannt wurde. Ein Cousin von Tony, Ramón Imbert Rainieri -Moncho – , war einer ihrer Anführer.
    Weshalb kam er davon? Sicher wegen der Standfestigkeit von Luis und Ivan – zwei Jahre danach waren sie noch immer in den Verliesen von La Victoria – und anderer j unger Frauen und Männer des 14. Juni, die seinen Namen nicht erwähnt hatten.
    Vielleicht betrachteten sie ihn ja als bloßen Zaungast, nicht als Aktivisten. Denn aufgrund seiner Schüchternheit machte Tony Imbert selten den Mund auf bei diesenTreffen, zu denen ihn das erste Mal Moncho mitgenommen hatte; er beschränkte sich aufs Zuhören und auf einsilbige Meinungsäußerungen. Außerdem war es unwahrscheinlich, daß er im SIM erfaßt war, es sei denn als Bruder des Majors Segundo Imbert. Seine Personalakte war sauber. Er hatte sein ganzes Leben für das Regime gearbeitet – als Generalinspekteur der Eisenbahn, Gouverneur von Puerto Plata, oberster Kontrolleur der Staatlichen Lotterie, Direktor der Behörde, die den Personalausweis ausgab – und jetzt als Geschäftsführer der Firma Mezcia Lista, der Fabrik eines Schwagers von Trujillo. Warum sollten sie ihn verdächtigen? In den Tagen, die auf den 14. Juni folgten, ging er mit großer Vorsicht zu Werke; er blieb abends in der Fabrik, baute die Patronen aus und brachte das Dynamit zu den Steinbrüchen zurück, während er gleichzeitig darüber nachgrübelte, wie und mit wem er den nächsten Plan zur Beseitigung Trujillos durchführen könnte. Er beichtete alles, was geschehen (und nicht geschehen) war, seinem besten Freund, dem Türken Salvador Estrella Sadhalá. Dieser schimpfte mit ihm, weil er ihn nicht in das Komplott eingeweiht hatte. Salvador war unabhängig von ihm zum gleichen Schluß gelangt: nichts würde sich ändern, solange Trujillo am Leben wäre. Sie begannen über mögliche Attentate zu spekulieren, aber ohne gegenüber Amadito, dem Dritten des Trios, etwas verlauten zu lassen; es war schwer vorstellbar, daß ein Militäradjutant den Wunsch haben könnte, den Wohltäter umzubringen. Nicht lange danach kam es zu jener dramatischen Episode in Amaditos Laufbahn, als er um seiner Beförderung willen einen Gefangenen töten mußte (den Bruder seiner ehemaligen Braut, wie er glaubte), was dazu führte, daß er fortan mit von der Partie war. Bald wären es zwei Jahre seit jener Landung in Constanza, Maimón und Estero Hondo. Ein Jahr, elf Monate und vierzehn Tage, um genau zu sein. Antonio Imbert schaute auf seine Uhr. Er würde nicht mehr kommen.
    Was war seither in der Dominikanischen Republik, in der Welt und in seinem persönlichen Leben nicht alles geschehen. Die massiven Razzien im Januar 1960, bei denen so viele junge Männer und Frauen der Bewegung
    14. Juni gefaßt wurden, darunter die Schwestern Mirabal und ihre E,hemänner. Der Bruch Trujillos mit seiner alten Komplizin, der katholischen Kirche, nach dem Hirtenbrief der Bischöfe im Januar 1960, in dem sie die Diktatur anprangerten. Das Attentat gegen den Präsidenten Betancourt in Venezuela im Juni 1960, das zahlreiche Länder gegen Trujillo mobilisierte, sogar seinen ewigen großen Verbündeten, die Vereinigten Staaten, die am 6. August 1960 auf der Konferenz von Costa Rica für die

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