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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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sie so intelligent war und sich so klar ausdrückte. Ihre festen Überzeugungen und ihre Eloquenz gaben ihren Worten etwas Ansteckendes. Außerdem war sie sehr schön mit ihrem tiefschwarzen Haar und ihren dunklen Augen, ihren feinen Gesichtszügen, der vollkommenen Form ihrer Nase und ihres Mundes und den schneeweißen Zähnen, die mit dem Porzellanton ihrer Haut harmonierten. Sehr schön, ja. Sie besaß etwas machtvoll Weibliches, eine Zartheit, eine natürliche Koketterie in den Bewegungen ihres Körpers und in ihrem Lächeln, trotz der schlichten Kleidung, in der sie zu den Treffen erschien. Tony konnte sich nicht erinnern, sie je geschminkt oder zurechtgemacht gesehen zu haben. Ja, sehr schön, aber nie dachte er – hätte einer der Anwesenden gewagt, ihr mit einem Kompliment zu kommen oder die frotzelnden, spielerischen Töne anzuschlagen, die zwischen Dominikanern normal und natürlich, fast obligatorisch sind, erst recht, wenn sie jung sind und durch die starke Brüderlichkeit vereint, die aus miteinander geteilten Idealen, Hoffnungen und Gefahren erwächst. Etwas an der anmutigen Gestalt von Minerva Mirabal verhinderte, daß die Männer sich ihr gegenüber die Vertraulichkeiten und Freiheiten herausnahmen, die sie sich bei anderen Frauen erlaubten.
    Damals war sie schon eine Legende in der kleinen Welt des Kampfes, der aus dem Untergrund gegen Trujillo geführt wurde. Was von dem, was über sie erzählt wurde, war wahr, was übertrieben, was erfunden? Niemand hätte gewagt, sie danach zu fragen, um sich nicht diesem tiefen, verächtlichen Blick und einer ihrer schneidenden Entgegnungen auszusetzen, mit denen sie zuweilen einen Kontrahenten zum Verstummen brachte. Es hieß, als junges Mädchen habe sie gewagt, Trujillo persönlich zu beleidigen, indem sie sich weigerte, mit ihm zu tanzen, weshalb ihrem Vater das Bürgermeisteramt von Ojo de Agua entzogen und er ins Gefängnis gesperrt wurde. Andere erzählten, es habe sich nicht nur um eine Beleidigung gehandelt, sondern sie habe ihn geohrfeigt, weil er sie beim Tanzen unsittlich berührt oder ihr etwas Unanständiges gesagt hatte, eine Möglichkeit, die viele ausschlössen (»Sie wäre nicht am Leben, er hätte sie auf der Stelle getötet oder töten lassen«), aber nicht Antonio Imbert. Schon beim ersten Mal, als er sie sah und hörte, zögerte er nicht eine Sekunde lang zu glauben, daß diese Ohrfeige, wenn sie nicht wahr war, es doch hätte sein können. Man brauchte Minerva Mirabal nur einige Minuten zu sehen und zu hören (zum Beispiel, wenn sie mit eiskalter Selbstverständlichkeit über die Notwendigkeit sprach, die Aktivisten psychologisch darauf vorzubereiten, der Folter zu widerstehen), um zu wissen, daß sie fähig war, Trujillo höchstpersönlich zu ohrfeigen, wenn dieser es ihr gegenüber an Respekt fehlen ließe. Sie war ein paarmal im Gefängnis gewe sen, und man erzählte Anekdoten über ihre Furchtlosigkeit in La Cuarenta und später in La Victoria, wo sie in den Hungerstreik trat, die Verurteilung zu Brot und fauligem Wasser überstand und wo man sie, wie es hieß, barbarisch mißhandelte. Sie sprach nie über ihren Aufenthalt im Gefängnis oder die Folter oder darüber, was ihre Familie zu leiden hatte, die schikaniert, ihrer wenigen Besitztümer enteignet und zu Hausarrest verurteilt worden war, seit man von ihrer trujillofeindlichen Einstellung wußte. Die Diktatur erlaubte Minerva, Anwaltsrecht zu studieren, nur um ihr beim Abschluß in einem Akt perfekt geplanter Rache die berufliche Lizenz zu verweigern, das heißt, sie verurteilte sie dazu, nicht zu arbeiten, sich nicht den Lebensunterhalt zu verdienen, sich schon in jungen Jahren nach fünf Jahren verschwendeter Studienzeit um ihre Hoffnungen gebracht zu sehen. Aber nichts von alldem verbitterte sie; sie war unermüdlich und machte allen Mut, ein ständig laufender Motor, eine Vorbotin – so sagte sich Imbert oft – des jungen, schönen, begeisterten, idealistischen Landes, das die Dominikanische Republik einmal sein würde. Er spürte voll Scham, daß seine Augen sich mit Tränen füllten. Er zündete eine Zigarette an und nahm mehrere Züge, stieß den Rauch zum Meer hin aus, auf dem das Mondlicht wie spielerisch irrlichterte. Es ging keine Brise jetzt. In großen Zeitabständen tauchten die Scheinwerfer eines aus Ciudad Trujillo kommenden Wagens in der Ferne auf. Die vier richteten sich in ihren Sitzen auf, reckten die Hälse, durchforschten angespannt das Dunkel, aber aus

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