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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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erwartet hatte, füllte er die Rohre mit Dynamitpatronen und brachte die Zündsätze an, die sie zuvor mit dem Fernzünder ausprobiert hatten. Um die Gewißheit zu haben, daß der Zeitplan eingehalten werden konnte, probierten sie auf dem freien Gelände der Fabrik, nachdem die Arbeiter und Angestellten es verlassen hatten, wie lange sie brauchten, um ein Stück des existierenden Zauns einzureißen, den neuen zu errichten und die alten Rohre gegen die mit Dynamit gefüllten auszutauschen. Weniger als fünf Stunden. Am 12. Juni war alles vorbereitet. Sie wollten am 15. aktiv werden, nach der Rückkehr Trujillos von einer Reise durch die Bergregion Cibao. Sie verfügten bereits über den Bulldozer, um im Morgengrauen die Umzäunung einzureißen, damit sie sie – bekleidet mit den blauen Overalls der Städtischen Betriebe – durch die verminte ersetzen konnten. Sie markierten die beiden Stellen, jede weniger als fünfzig Schritte vom Ort der Explosion entfernt, von denen aus Imbert auf der rechten und Luis und Ivan auf der linken Seite kurz nacheinander die Fernzündung betätigen würden, die erste, um Trujillo in dem Augenblick zu töten, da er an den Rohren vorbeilief, und die zweite, um ihm den Rest zu geben.
    Und dann kam es am Vorabend des festgesetzten Tages,
    am 14. Juni 1959, in den Bergen von Constanza zu jener überraschenden Landung eines in Kuba gestarteten Flugzeugs mit den Farben und Kennzeichen der Dominikanischen Fluggesellschaft und trujillofeindlichen Guerrilleros, eine Invasion, auf die eine Woche später die Landungen an den Stranden von Maimón und Estero Hondo folgten. Die Ankunft dieses kleinen Trupps, zu dem der bärtige kubanische Kommandeur Delio Gómez Ochoa gehörte, jagte dem Regime einen Schauer über den Rücken. Ein unsinniges, unkoordiniertes Unterfangen. Die Gruppen im Untergrund hatten nicht die geringste Information über das, was in Kuba vorbereitet wurde. Fidel Castros Unterstützung für die Revolution gegen Trujillo war seit Batistas Sturz vor sechs Monaten ein obsessives Thema der Versammlungen. Man rechnete mit dieser Hilfe bei allen Plänen, die man aufstellte und wieder verwarf und für die man Jagdflinten, Revolver, das eine oder andere alte Gewehr sammelte. Aber Imbert kannte niemanden, der Kontakt mit Kuba oder die geringste Ahnung gehabt hätte, daß am 14. Juni die Ankunft dieser paar Dutzend Revolutionäre stattfinden würde, die zuerst die kleine Wache des Flughafens von Constanza außer Gefecht setzten und dann in die umliegenden Berge ausschwärmten, nur um an den folgenden Tagen wie Hasen gejagt und aus dem Hinterhalt getötet oder nach Ciudad Trujillo gebracht zu werden, wo sie auf Befehl von Ramfis fast alle ermordet wurden (aber nicht der Kubaner Gómez Ochoa und sein Adoptivsohn Pedrito Mirabal, die das Regime in einer weiteren theatralischen Geste einige Zeit später zu Fidel Castro zurückschickte). Ebenso konnte niemand das Ausmaß der Repression voraussehen, die von der Regierung nach der Landung in Gang gesetzt wurde. In den Wochen und Monaten darauf ließ sie nicht etwa nach, sondern verschärfte sich noch. Die caliés griffen sich jeden Verdächtigen und schleppten ihn zum SIM, wo er gefoltert wurde – kastriert, um Ohren und Augen gebracht, auf den Thron gesetzt – , damit er Namen nannte. La Victoria, La Cuarenta und El Nueve waren vollgestopft mit jungen Leuten beider Geschlechter, Studenten, Universitätsabsolventen und Angestellte, von denen viele Kinder oder Verwandte von Männern des Regimes waren. Trujillo erlebte eine große Überraschung: Konnte es sein, daß die Kinder, Enkel, Neffen und Nichten von Leuten, die mehr als alle anderen vom Regime profitiert hatten, sich gegen ihn verschworen? Man behandelte sie ohne Rücksicht, trotz ihrer Familiennamen, ihrer weißen Hautfarbe und ihrer Mittelklassekleidung. Luis Gómez Pérez und Iván Tavárez Castellanos fielen noch am Morgen des für das Attentat vorgesehenen Tages den caliés
    des SIM in die Hände. Mit seinem üblichen Realitätssinn begriff Antonio Imbert, daß er nicht die geringste Aussicht hatte, um Asyl zu bitten: sämtliche Botschaften waren von uniformierten Polizisten, Soldaten und caliés umstellt. Er rechnete sich aus, daß Luis und Ivan oder jeder andere aus den Untergrundgruppen unter der Folter seinen Namen nennen und man ihn holen würde. Damals wie auch heute abend wußte er genau, was er tun würde: die caliés mit Blei empfangen. Er würde versuchen, mehr als einen ins

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