Das Fest
niedlich!«
Luther hätte beinahe gefragt: die Jungs oder die Bäume?
Warum konnte sie nicht einfach in der Küche bleiben und diese Sache ihm überlassen?
Mit einem breiten, falschen Lächeln sagte er: »Tut mir Leid, aber wir kaufen diesmal keinen Baum.«
Verständnislose Gesichter. Verwirrte Gesichter. Traurige Gesichter. Ein Stöhnen unmittelbar hinter ihm, als die Schockwelle Nora erreichte. Während Luther die Jungen ansah und seine Frau ihm buchstäblich im Nacken saß, wurde ihm klar, dass der entscheidende Moment gekommen war. Wenn er jetzt weich wurde, würden alle Dämme brechen. Einen Baum kaufen, ihn schmücken, dann feststellen, dass kein Baum komplett ist, wenn nicht ein Haufen Geschenke unter ihm liegt.
Bleib hart, alter Junge, feuerte Luther sich selbst an, gerade als seine Frau wisperte: »O Gott.«
»Schsch«, zischte er ihr aus dem Mundwinkel zu.
Die Jungen starrten zu Mr. Krank hoch, als hätte er ihnen ihr Taschengeld weggenommen.
»Es tut uns Leid, dass die Bäume mehr kosten«, erklärte Randy niedergeschlagen.
»Wir verdienen pro Baum weniger als letztes Jahr«, kam Mr. Scanion ihm zu Hilfe.
»Es geht nicht um den Preis, Jungs«, entgegnete Luther, abermals mit einem falschen Lächeln. »Wir lassen Weihnachten dieses Jahr ausfallen. Wir werden gar nicht hier sein. Wir brauchen keinen Baum. Aber trotzdem vielen Dank.«
Die beiden Jungen blickten betreten zu Boden, und Mr. Scanion wirkte untröstlich. Nora steuerte ein weiteres klägliches Seufzen bei.
Luther war der Panik nahe, bis ihm plötzlich ein großartiger Gedanke kam. »Veranstaltet ihr Pfadfinder nicht alljährlich so ein großes Zeltlager irgendwo im Westen? Nächsten August in Neumexiko, wenn ich mich recht erinnere?«
Darauf waren sie nicht vorbereitet. Alle drei nickten langsam.
»Gut. Ich mache euch einen Vorschlag: Den Baum kann jemand anderes haben. Aber schaut doch im Sommer noch mal vorbei, dann stifte ich hundert Dollar für euer Lager.«
Randy Bogan brachte ein schwaches »Danke« heraus, allerdings nur, weil er sich dazu verpflichtet fühlte. Auf einmal wollten sie bloß noch fort.
Luther schloss langsam die Tür und wartete. Die drei Pfadfinder blieben noch für einen Augenblick auf der Vordertreppe stehen und traten dann den Rückzug über die Auffahrt an, immer mal wieder einen Blick über ihre Schultern zurückwerfend. Als sie den Laster erreicht hatten, berichteten sie einem weiteren Erwachsenen in Uniform die verrückte Neuigkeit. Andere hörten mit, und es dauerte nicht lange, bis das geschäftige Treiben rund um den Tieflader zum Erliegen kam, weil die Pfadfinder und ihre Führer sich am Ende der Auffahrt zusammenrotteten und das Haus der Kranks anglotzten, als wären Außerirdische auf dem Dach gelandet.
Luther ging in die Hocke und spähte dicht an den offenen Vorhängen des Wohnzimmerfensters vorbei. »Was machen sie?«, flüsterte Nora hinter ihm. Auch sie kauerte auf dem Boden.
»Ich glaube, die gucken nur.«
»Vielleicht hätten wir einen kaufen sollen.«
»Nein.«
»Wir müssen ihn ja nicht aufstellen.«
»Sei still.«
»Wir könnten ihn einfach im Garten unterbringen.«
»Hör auf, Nora! Wieso flüsterst du eigentlich in unserem eigenen Haus?«
»Aus demselben Grund, aus dem du dich hinter den Vorhängen versteckst.«
Luther richtete sich auf und schloss die Vorhänge. Die Pfadfinder zogen ab und brachten weiteren Bewohnern der Hemlock Street Weihnachtsbäume, während der Tieflader die Straße entlang kroch.
Luther machte Feuer im Kamin und ließ sich in seinem Ruhesessel nieder, um ein wenig in den neuesten Steuergesetzgebungen zu schmökern. Er war allein, denn Nora schmollte irgendwo. Doch das war nur eine Phase, die schon morgen vorbei sein würde.
Er war mit den Pfadfindern fertig geworden — wen hatte er also noch zu fürchten? Ohne Zweifel standen ihm jedoch weitere Begegnungen dieser Art bevor, was einer der Gründe dafür war, dass Luther Weihnachten nicht leiden konnte. Jeder Mensch wollte irgendetwas verkaufen, sammelte für einen guten Zweck, erwartete ein Trinkgeld, eine Zuwendung, es nahm einfach kein Ende. Luther regte sich gehörig auf und fühlte sich dabei ausgezeichnet.
Eine Stunde später trat er aus dem Haus und spazierte ohne ein bestimmtes Ziel den Bürgersteig der Hemlock Street entlang.
Die Luft war leicht und kühl. Nach ein paar Schritten blieb er vor dem Briefkasten der Beckers stehen und warf einen Blick durch ihr vorderes Wohnzimmerfenster. Sie
Weitere Kostenlose Bücher