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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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Familie, nachdem ihr Verwandter erkrankte und starb. Sie lebten sehr glücklich miteinander und beutelten nur ein Kind, nämlich mich. Die Gesundheit meiner Mutter wurde immer schlechter, und sie ging von uns, als ich acht oder neun nach meinem Erscheinen war. Mein Vater lebte noch viele Jahre allein auf seiner Farm weiter.
    Als ich vierzehn war, kam ich nach Tsagul und bestand Prüfungen für einen Schreiber und Metallarbeiter; von Anfang an arbeitete ich für die Stadt. Gönnerschaft war zu diesen Zeiten noch eine Macht, aber ich hatte nichts mit dem Clan der Dohtroys zu tun – mein Hauptgönner war Tsabbutt Krell, ein ehemaliger Abgesandter und der Leiter der Reformpartei.
    Vor langem schon, als ich zwölf nach meinem Erscheinen war, hatte ich im Obstgarten meines Vaters beschlossen, keinen Familiennamen und keine Familienbindung zu haben. Also nannte ich mich Tsorl-U-Tsorl, und so heiße ich immer noch.“
    Es war eine merkwürdige Geschichte; sie klang wahr, aber ich hatte das Gefühl, daß sie ziemlich zusammengestrichen worden war. Die Farbigkeit und das Lebensinteresse eines Abgesandten fehlten darin. Ich dankte ihm für seine Geschichte und gab ihm noch mehr Arznei. Ich machte meine Runde über das Floß und verscheuchte die sich mästenden Vanos. Sie waren so träge, daß ich sie mit der Hand hätte fangen können.
    Ich setzte mich an den Bug des Floßes und betrachtete die Oberfläche des Großen Meeres, das vom Licht und Schatten der untief zu Tausenden schwimmenden kleinen Fischen gekräuselt und gemustert wurde. Ich sah, daß ein seltsames Seewesen meinen Blick erwiderte, als das Floß über ruhiges Wasser glitt. Mit langem, dichtem, dunkelbraunem, lässig zu einem Zopf geflochtenem Haar und von der Großen Sonne rotverbrannter Haut. Alle Kennzeichen des verachteten Itsik hingen noch an mir, von den „Maßbändern“ angefangen, die Tyrannen um die Muskeln ihrer Arme knüpften, bis zu dem in die Haut eingenähten braunen Fadenstern am Handgelenk. Ich trug immer noch meine graue Tunika, aber darüber einen von einem Granden abgelegten Wams; meine Stiefel waren lederverbrämt.
    Auf der Stelle entledigte ich mich dieser Sachen und sprang ins Meer. Ich trocknete mich im Sonnenschein. Weit im Süden spritzte ein Zoben einen Dreierstrahl Wasser und Luft in die Höhe; der grüne Dunst der Inseln war so nahe, daß er sich auf die Meeresoberfläche niedergelassen hatte. Bald würde ich Berggipfel und grünes Festland erblicken. Freiheit. Da war die Erde und der Himmel. Ich war ein neuerschienenes Wesen, ein von einem Perlenei in der Tiefe des Ozenas ausgeschlüpfter Seesonner. Wenn ich Freiheit hätte, wenn ich von dieser Sekunde an diese wilde und gesegnete Freiheit hinter meinen Augen bewahren könnte, dann wäre ich imstande, alles auszuhalten.

 
Ein Abenteuer und eine Belohnung
     
1
     
    Als wir in der zweiten Nacht auf dieser Floßfahrt in dem Bara-Tunnel schliefen, füllten die Inseln bereits den Horizont im Westen aus. Dort herrschte die heißeste Jahreszeit in der heißesten Gegend von Torin; sogar die drückendsten Sommer in der Feuerstadt waren im Vergleich dazu kühl.
    Der Dampfodem der Inseln war spürbar, und wir schmachteten danach, von der schwärenden Hitze des Abfallfloßes befreit zu werden.
    Ich wachte plötzlich in der Finsternis unter dem Stroh auf.
    „Werdet wach!“ Tsorl zerrte an dem Stroh, um mich zu wecken.
    „Was ist denn los?“
    Das ganze Floß war in Bewegung geraten, in ein regelmäßiges Schaukeln, als drückte uns ein Riesenfuß ins Wasser. Zuerst dachte ich, daß wir Land erreicht hatten und auf irgendeinem Felsen aufgelaufen waren. Dann hörten wir beide das Geräusch, das so seltsam klang, daß es mir kalt über den Rücken lief. Aber als das Geräusch anhielt, wurde ich neugierig. Was konnte das sein?
    Es war ein Hintergrundsgeräusch, ein langsames, regelmäßiges, wehendes Geräusch, das mich an etwas erinnerte … ja, es erinnerte mich an die großen Blasebalge, die in der Neuen Grube benutzt wurden, um den Staub aus dem schmutzigen Stollen zu entfernen. Dann ertönten Schlurfgeräusche, als würde der Abfall aufgesaugt, und das Merkwürdigste war ein Piepsen und Pfeifen und Murren wie aus einem riesigen Dudelsack … wie Stimmen …
    Tsorl versuchte aus dem Stroh hervorzukriechen, um es sich anzusehen, aber ich hielt ihn zurück.
    „Ich gehe hinaus!“
    Ich kroch ein Stück aus dem Tunnel, in dem wir schliefen, leise auf das offene Deck. Die Ferne Sonne schien so

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