Das Feuer das am Nächsten liegt
winselte der Sonner. Seine heulende Stimme hallte über das Floß und das glänzende Meer. „Uh-du, uh-du, uh-du?“
Ich sprang auf das offene Deck, und der Sonner brüllte vor Vergnügen. Ich schritt mit ausgeklügeltem Gang wie ein Straßenschauspieler zum anderen Ende des Floßes. Ich wirbelte herum und rief den Sonner. Seine Locken bewegten sich im Wasser, als er von dem Floß glitt, um mich besser betrachten zu können. Wir sanken so tief, daß eine Welle meine Füße umspülte, und Tsorl schrie auf, als dieselbe Welle ihn erreichte. Im Schatten sah ich, daß einer der Saugfüße von Sonner am Rande des Floßes hafteten.
„Laß los!“ brüllte ich. „Sonner, laß los! Sonst ertränkst du uns!“
Ich rannte über das schräge Deck und hieb mit aller Kraft auf den dunkelgrünen Fuß ein. Der Sonner heulte vor Schmerz auf und bäumte sich mir entgegen. Ich sah die gähnendweit geöffneten Kiefer und die rosa Unterseite des Kopfes. Ich raffte meinen ganzen Mut zusammen, einfach um zurückzuweichen oder auf dem Deck zusammenzubrechen und hielt mir die Hände über den Kopf.
Aus der Ferne erklang ein lauter und fürchterlicher Schrei über das Meer. Ich verlor meinen Halt und rollte fast ins Wasser. Ich erblickte einen zweiten Sonner, doppelt so groß wie der, der um unser Floß herumlungerte. Er furchte das Wasser. Seine Körperlocken quirlten es und verursachten einen silbernen Sog, der breiter war als der der Tabel Der Schrei wurde wiederholt, ein Klanglaken, ein Blitzschlag. Dann verließ mit einem letzten Winseln das kleinere Geschöpfe unser Floß und schwamm davon.
Ich raffte mich auf und überquerte die glitschigen Stämme, um Tsorl zu finden. Er saß auf einem Strohhaufen und starrte die See an, wo die zwei Sonner, ich hielt sie für Mutter und Kind, Kurs auf Süden nahmen.
„Sie könnten gezähmt werden“, sagte Tsorl. „Es sind intelligente Tiere, und dem jüngeren könnte beigebracht werden, uns zu dienen.“
„Sie sind frei“, sagte ich.
Ich dachte an das Leben der Seesonner: sie schweiften auf dem Großen Meer herum, suchten sich Futter zwischen den Eisbergen und den Feuerbergen, weilten in dem weiten landlosen Raum der Welt.
Wir hatten keine Zeit, uns auszuruhen. Wir saßen still da, bis das blasse Licht von Esder sich in reiches Gold verwandelte und die Große Sonne aufging. Die Inseln lagen ganz in der Nähe.
„Ich habe eine Karte von den Inseln“, erklärte Tsorl, „und ich bin auf seltsame Art und Weise in ihren Besitz gekommen …“
„Sagt mir, wie …“
„Ihr seid sehr tapfer, Yolo Horn. Wißt Ihr das?“
„Es war nur ein Babysonner, so groß er auch sein mochte.“ „Nun ja“, sagte er steif. „Ich danke Euch für alles …“
Ich holte etwas zu essen und zu trinken, und Tsorl begann endlich seine Geschichte zu erzählen, gleichsam als Belohnung für mein albernes Spiel mit dem Sonner.
2
„Es war der Tag meines Todes“, sagte er. „Ich hatte einen Pakt geschlossen. Mir war es völlig ernst. Meine Freunde, die an meiner Entehrung durch den Rat von Tsagul ihren Teil auf sich nahmen, waren alle entschlossen, mich zu begleiten. Die rote Schnur lag bereit, um unsere Hände aneinander zu binden.“
„Welche Freunde?“ fragte ich leise.
Er blickte zerstreut über meine linke Schulter hinweg, aber er nannte mir die Namen.
„Da war der brave Arn Logan, der Brückenmacher, und seine Partnerin Lateen, die eine meiner Schreiberinnen war. Da war Tilje Paroyan Dohtroy, die ich wie meine echte Verwandte, ja fast wie meine Partnerin liebte; da war der Schreiber Vel Ragan, der an meiner Stelle von einem Feuerklettenmeuchelmörder gebrandmarkt wurde, kurz nachdem die Kanalisationspläne fertig waren und wir mit den Hundert aus Rintoul Schwierigkeiten hatten. Vel war der jüngste – zu jung für so einen Pakt.
Als ich meines Amtes enthoben wurde, saßen wir fünf zusammen und schienen eine Familie zu sein. Vielleicht machte uns der Wein, den wir tranken, zum Sterben bereit, vielleicht war es meine Verbitterung, meine sie beherrschende Stimmung.“
Ich erinnerte mich an alle diese Leute, von denen er sprach; der Alte Horn hatte Arn Lorgan fast so verehrt wie den Abgesandten selbst.
Ich hatte die Schreiberin Lat Aroyan und den Schreiber Vel Ragan mit seinem fürchterlich entstellten Gesicht im Rathaus ein und aus gehen sehen. Die Hoheit der Dohtroys überraschte mich am meisten; sie war ein hübsches stolzes Wesen, das in einer Sänfte während der alten Feste
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