Das Feuer das am Nächsten liegt
Umgraben beschäftigt, aber ich war froh, als Tsorl wieder herauskam. Lisa sah mich an und zwinkerte mir mit einem ihrer kleinen schrägen braunen Augen zu, als wollte sie sagen: „Siehst du, du brauchst keine Bange zu haben!“
Der nächste Teil unseres Zusammenlebens von Menschen und Moruianern hatte mit den Maschinen in dem blauen Zelt zu tun. Auf Einladung der Fremden gingen wir hinein und sahen sich bewegende Bilder in einem kleinen Kasten, ungefähr vier mal drei Faustgroß, der die Form eines rechteckigen Zeltfensters hatte, dessen Ecken aber abgerundet waren. Nachdem wir uns an die Farben und Maße dieses Films gewöhnt hatten, erkannten wir eine Welt, die Welt der Fremden. Manchmal folgten die Bilder oder Szenen hintereinander; Leute – waren es Leute? – liefen zu Tausenden herum, Gebäude türmten sich höher als die Wolkenkratzer in Rintoul, als Riesenbäume oder irgend etwas dergleichen, drängten sich auf dem Glasschirm.
Besser noch waren die Folgen getrennter Bilder: ein Mann, eine Frau, ein Kind, ein aus dem Boden sprießender Baum. Wir konnten die Bilder selbst regeln, indem wir auf die Knöpfe der grauen Schachteln drückten, die sich wie Horn anfaßten. Wir drückten darauf und holten den Mann, die Frau, das Kind zurück. Wir betrachteten sie uns lange.
Schließlich sagte Tsorl: „Sam ist männlich, ein Mann. Sind die anderen, Karin und Lisa, wirklich so seltsam beschaffen?“
„Ja, ich glaube schon“, sagte ich. „Warum fragen wir sie denn nicht?“
„Pah! Du bist eine unhöfliche Göre, Yolo Horn!“
„Karin und Lisa schwimmen nicht dort, wo ich bin. Sie besitzen Scham. Sie sind weiblich.“
„Scham ist nicht gerade ein Charakterzug der weiblichen Wesen in Torin“, sagte Tsorl, „aber du könntest recht haben. Worum es geht ist, warum sind sie nur so beschaffen?“
Erst nach mehreren Schachteln entdeckten wir den Grund dafür. Ein fürchterliches Bild erschien auf dem Schirm. Ich sprang auf, wobei ich meinen Leib umklammerte, und rannte hinaus in den Sonnenschein. Ich dachte, mir würde schlecht. Das Bild, das ich nicht vertreiben konnte, zeigte eine Frau mit einem ausgewachsenen, zum Erscheinen bereites Kind immer noch im Mutterleib. Wie sollte es da herauskommen? Wie sollte es atmen? Wie war es die ganze Zeit ernährt worden? Die Menschen konnten nicht verstehen, warum ich so erregt war, und ich konnte es nicht erklären. Anderthalb Tage betrat ich das Zelt nicht mehr, und dann nur, weil Tsorl mich dringend zu sich rief.
Er hatte das Bild eines seltsamen Tiers entdeckt. Und auch wiederum nicht so seltsam. Es war groß und glich einem weichfelligen Wollhirsch. Es hatte ein Junges in seinem Beutel.
„Es sieht irgendwie wie eine Urahnin aus, wie die Wilde Enmor aus dem Westen, deren Gebeine gefunden worden sind und aufbewahrt werden“, sagte Tsorl.
„Es ist ein liebes Geschöpf“, sagte ich, „und sieht eher wie eine alte Nachbarin in der Zinnstraße aus, die Schalentiere verkaufte.“
„Ich habe das Geheimnis fast gelöst“, sagte Tsorl. „Schau dir dieses Bild an …“
Es war noch ein Tier – eine Art ungeheuerer behaarter Riesenweljin, der auf zwei Beinen ging. Wir schalteten die beiden Bilder hin und her, und die Menschen kamen, um uns dabei zuzusehen. Sie freuten sich über den Anblick des Behaarten; offenbar empfanden sie die gleiche Verwandtschaft mit ihm wie wir mit dem Beutelwesen. Zwischen „Ja“ und „Nein“ verständigten wir uns ein wenig. Wir nahmen hin, daß die Menschen nicht gebeutelt wurden und daß dies ihr Vorfahre war; ihnen fiel es schwer, zu glauben, daß die Dinge bei uns anders verliefen.
„Es fehlt nicht viel, daß du dich ausziehen mußt“, bemerkte Tsorl. „Ich glaube nicht, daß wir so weiterkommen werden.“
„So etwas tue ich nicht“, sagte ich. „Sogar eine Moruianerin besitzt Scham und Sittsamkeit, Abgesandter.“
„Du weißt natürlich, daß all unsere Freunde dich für ein junges männliches Wesen halten!“
„Was macht das schon aus?“
Vielleicht machte es doch etwas aus. Es führte zu weniger Mitteilsamkeit und Verständigung. Andernmorgens, als Lisa und Karin zu ihrer Stelle im Hafen baden gingen, folgte ich ihnen. Sie tauchten ins Wasser, als ich nahte; sie trugen merkwürdige Stoffstreifen, die sich ihren merkwürdigen Körperformen anpaßten. Ich fühlte mich verlegen, aber ich stellte mich ans Ufer und zog mich aus. Moruianer baden immer unbekleidet, und die Vorstellung, im Wasser freiwillig etwas
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