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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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anzuhaben, ist recht abwegig.
    Schließlich ging Lisa und Karin ein Licht auf. Sie sahen, daß ich ein „weibliches Beutelwesen ohne Brüste“ war, wie sie in ihren Berichten schrieben. Ich hatte mich daran gewöhnt, in ihren Gesichtern zu lesen, und bemerkte, daß an diesem Morgen allerhand Gedanken darüber huschten. Ich sprang ins Wasser und schwamm herum; danach sonnten wir uns zusammen am Ufer.
    Wir waren alle sehr höflich und starrten uns weder an, noch stellten wir Fragen, bis wir uns besser kannten. Aber das Geheimnis war gelöst.
    Sogar nachdem der Wissensstand zwischen zwei Völkern so weit fortgeschritten war, finden Moruianer die Geburt von Menschenkindern höchst unbehaglich und unglaublich. Die Menschen halten, soweit ich es erfassen kann, die Moruianergeburt für leicht, aber etwas primitiv.
    In diesen ersten Tagen machte ich mit Karin und Sam Ausflüge zur anderen Seite der Insel. Wir folgten der alten Tsatroy-Straße zurück zur Villa, und sie bewunderten die Steinarbeit. Ich raffte die ärmlichen Siebensachen von Tsorl und mir zusammen. Wir stiegen die Stufen der Villa hinunter, und da lag immer noch unser Roß. Ich empfand es als alten Freund: die Tage über den Ozean auf dem Wege zur Freiheit waren fern, und ich erinnerte mich irgendwie traurig daran.
    Wir aßen auf der Landzunge, von der aus wir das Binnenmeer und die Inseln mit Sams Sehbrille betrachten konnten. Ich vermochte kaum durch das Doppelglas zu blicken, aber die Benutzung des Einglases, wie es Moruianer gebrauchen, fiel mir leicht und brachte mir die Inseln sehr nahe. Wir sahen mehr Lagerfeuerrauch, aber es deutete nur auf Insulaner hin. Kein Handelsschiff verkehrte zwischen den Inseln; kein Dampfer von Mattroyan wirbelte die Luft auf.
    Tsorl hatte seine Kräfte wiedergewonnen und damit seine Unabhängigkeit. Wir bezogen ein Lager an einer kleineren Bucht neben der Fischbucht. So nannten die Menschen die Fischstelle, und unser Lager wurde die Kleine Fischbucht genannt. Unsere Freunde baten uns, das kleine blaue Zelt zu behalten, und mit unseren wenigen Gefäßen und Matten und Laken machten wir es uns, ohne unziemlichen außerweltlichen Luxus, sehr gemütlich. Wir aßen das, was wir selbst sammelten, aber oft genug hatten wir Obst oder Salatgräser oder Krebse in solcher Menge, daß wir mit den Menschen einen Festschmaus veranstalten konnten.
    Inzwischen sprachen wir einen merkwürdigen Mischmasch aus Moruianisch und Menschensprache, begleitet von Hand- und Körpergesten. Fast täglich saßen Tsorl und ich vor dem Schirm im Hauptzelt und sahen uns die Bilder an. Wir bemerkten, daß der Schirm starke eigene Willenskräfte besaß. Blitzlichter oder gewisse Musik- oder Gesangtöne widerhallten in meinem Kopf, und ein- oder zweimal verfiel ich in Trance oder Schlaf.
    Kaum war die Frage der Willenskräfte aufgetaucht, da ahnten wir schon die Wahrheit, nämlich daß Menschen „gedankenblind“ waren. Wir beobachteten sie bei einem Spiel, das „Karten“ genannt wurde, und es war uns unbegreiflich, daß ein Spieler seine Sammlung von Zahlen und Bildern vor den anderen geheimhalten konnte. Wir lernten ein Kinderspiel namens „Schnipp-Schnapp“ und noch eins namens „Gedächtnis“, und wie wir befürchtet hatten, gab es keinen Wettkämpf. Ob wir, Tsorl und ich, zusammen oder getrennt vorgingen, wußten wir einfach, was auf den steifen Karten stand.
    Die Menschen waren von diesem einfachsten Wissen begeistert und prüften uns mit einem anderen Symbolkartenstapel. Wenn Tsorl von irgendeinem Ort im Lager mir die Karten „zuschickte“, hörte ich ihn deutlich und gewann ohne weiteres die Runde. Wenn ich ihm meine zuschickte, waren die Ergebnisse fast genausogut. Wir, Tsorl und ich, schickten es dann den Menschen zu: Karin erwies sich als wesentlich besser als die beiden anderen, aber es blieb bei einem Menschenerfolg, unregelmäßig, launisch. Ich wußte, daß meine eigenen Willenskräfte nicht sehr stark und auf alle Fälle „Grüne Gedanken“ waren, die eben ein junges Wesen besaß. Dagegen verfügte Tsorl, obwohl er kein Aufhebens davon machte, über beträchtliche Willenskräfte.
    Als ich das erkannte, bat ich ihn seine Gedanken zu seinen Freunden auf dem Festland zu senden: an Vel Ragan, seinen Schreiber oder an die stolze Dohtroy-Hoheit Tilje. Er erklärte sich dazu bereit, aber ohne große Hoffnung.
    „Yolo Horn“, sagte er, „du hast mich gerettet, zu manchem Preis. Sie werden denken, daß ich tot bin.“
    Das Alltagsleben,

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