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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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völlige Trance; es ging nicht langsam vonstatten; seine Muskeln verkrampften sich ruckhaft und er schlief im Stehen wie ein Sumpfvogel. Die Ningan ergriff wieder das Wort.
    „Hoheit, mein Lehnsherr.“
    An der Haltung des Zeugen mit seinem schlummernden Gesicht änderte sich nichts, und die Ningan sprach nochmals: „Mein Lehnsherr … wir sind alle hier auf Tsabeggan …“
    Wir warteten, und die Menschen rutschten nervös hin und her, und ein Schauder durchfuhr den Körper des Zeugen. Eine Stimme kam aus seinem Mund, stark, tief, sonor; mir lief ein Prickeln über die Kopfhaut.
    „Ich spreche. Ich grüße die Menschenfamilie im Namen der Fünf Clans, der Hundert und des ganzen Moruianervolkes.“
    Der Sprecher nannte seinen Namen nicht, es gab nur die Stimme aus eines anderen Lippen, und von den ersten Wörtern an gab es für mich keinen Zweifel. Hier sprach der Große Älteste, hier fand wirklich ein Wunder von Torin statt. Es trat eine Pause ein, und ich flüsterte die Übersetzung den Menschen zu, dann fuhr die Stimme fort.
    „Ich habe mit Scott Gale gesprochen, und ich möchte mit allen Angehörigen der Menschenfamilie sprechen. Ihr kamt ungebeten in diese Welt; Ihr bringt Maschinen und Mächte mit, die weise angewendet werden müssen; tretet vor mein Angesicht und erklärt Euch.“
    Eine weitere Pause. Ich hatte Zeit, wieder zu übersetzen; die Menschen blickten sonderbar drein; Sam war mürrisch und verwirrt.
    „Kommt in aller Sicherheit“, sagte die Stimme des Großen Ältesten. „Kommt in Frieden mit dem Schiff Esnar. Ammur Ningan wird meine Anweisungen befolgen und Euch alle zu mir führen. Das muß geschehen.“
    Nochmals trat eine atemlose Stille ein, und es erklang ein Geräusch aus dem Zeugen, als räusperte sich der Große Älteste. Wieder brachen die Wörter hervor, und diesmal in der Sprache der Fremden, schlecht ausgesprochen, aber verständlich.
    „Hallo. Willkommen. Frieden.“
    Dann erfolgte nichts mehr; Ammur wartete und gab schließlich die letzte Erwiderung.
    „Hoheit, wir haben Euch gehört und verstanden.“
    Obal der Zeuge entspannte allmählich seine Glieder, sein Atemrhythmus änderte sich, und die Furchen auf seinem Gesicht verschwanden. Er öffnete langsam die Augen und rieb sie sich mit den Fingern wie ein erwachendes Kind. Die Ningan nickte ihm zu, und er ging hinter ihren Stuhl zurück, wo er sich auf den Boden des Zeltes setzte. Die Ningan sagte nichts, sondern schaute die Menschen nur erwartungsvoll an.
    „Komm schon, Sam“, murmelte Lisa. „Sag etwas. Sag etwas Höfliches.“
    „Es besteht kein Zweifel, daß dieser Führer den Text vorbereitet hatte“, sagte Karin. „Warum hat er nicht erwähnt, daß Scotty krank ist?“
    „Zum Teufel, wie können wir wissen, wer den Text vorbereitet hatte“, brummte Sam. „Yolo, war die Botschaft sehr stark … du weißt schon, drohend?“
    „Nein“, sagte ich, „nicht von dem Großen Ältesten, dem Herrscher von Torin.“
    Ich konnte meine Enttäuschung kaum unterdrücken. Die Menschen waren keinen Augenblick überzeugt worden; sie redeten unter sich weiter über „Trance“ und „Medium“ und eine „ziemlich unreife Vorstellung von diesem Jungen“.
    „Die Menschen haben es gehört und verstanden“, sagte ich zu der Ningan, „aber sie sind von diesem Wunder nicht überzeugt.“
    „Das macht nichts“, sagte die Ningan freundlich und zugleich verächtlich, „sie sind gedankenblind. Ich muß als Stimme des Großen Ältesten dienen. Ich setze meine Ehre darein, meine Aufgabe zu erfüllen. Ich muß euch sicher an Bord der Esnar zu dem Großen Ältesten bringen.“
    „Na“, sagte Sam Fletcher, „was will sie?“
    Ich konnte nicht umhin, zu lächeln; wir hatten den Witz so oft im Lager gemacht. Mich durchbohrte Traurigkeit, weil unser Traum zu Ende ging; wir waren alle vom Ort-jenseits-der-Vier-Winde zurückgekehrt, und jetzt begannen die Stimmen der Welt uns durch den Nebel zu treffen.
    „Es verhält sich so, wie der Große Älteste es aus dem Munde des Zeugen gesagt hat“, sagte ich. „Ammur Ningan soll euch zu ihrem Führer bringen.“
    Meine Freunde schauten mich aus ihren merkwürdig kleinen Augen, ihren Vogelaugen an und wandten die Köpfe ab, um untereinander zu reden. Schließlich erhob Sam wieder die Stimme.
    „Sag der Ningan, daß wir daran gedacht haben, das Luftschiff zum Festland mitzunehmen.“
    Ich hatte gehört, welche Schwierigkeiten das mit sich bringen würde. Es war kaum zu glauben, daß das

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