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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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schnell, schneller als jedes Segelboot und sogar schneller als die größeren Schiffe von Mattroyan, die Ullo und die Telve. Auf der ganzen Fahrt sah ich meine Freunde nicht wieder. Meine Reise war nicht so übel, wie sie hätte sein können: die Mannschaft von Mattroyan ließ mich aus dem engen Strafloch heraus, damit ich etwas herumspazieren konnte. Die mich bewachenden Pentroy-Vasallen wußten das, drückten aber beide Augen zu. Sie wußten, daß die Ningan niemals den Schlafsaal betreten würde.
    Die Matrosen von Mattroyan waren verdutzte leichtlebige Leute. Sie wurden doppelt oder dreifach für diese einzige Reise bezahlt, was ihnen gefiel, ebenso wie die Wunder, die sie gesehen hatten. Ich überlegte mir, was wohl aus den Menschen und mir selbst werden sollte. Ich hatte das sichere Gefühl, daß Scott Gale inzwischen die Insel Tsabeggan und das Weltraumluftschiff Silberreiher in seiner Gewalt hatte, aber es war mir undeutlich, wie er seinen Freunden helfen könnte. Mir war der Plan des Großen Ältesten nicht klar, aber ich wußte, wohin wir fuhren.
    Am Morgen des dritten Tages wurde ich vor dem Aufgang der Großen Sonne in meinem Strafloch geweckt und durfte mich frischmachen. Die Ningan hatte mir ein neues irdenes T-Shirt heruntergeschickt, sowie einen braunen Umhang; offensichtlich wollte sie die gebändigte Dolmetscherin hübsch aussehen lassen. Ich kam an Deck, und dort drängten sich Sam, Lisa und Karin an die Reling. Sie waren guter Laune und freuten sich, mich zu sehen, allerdings etwas entgeistert. Eine Parade wurde unten auf dem Kai aufgestellt, und die Vasallen baten meine Freunde, hinunterzugehen und ihre Plätze einzunehmen.
    Wir riefen uns gegenseitig zu.
    „Yolo, kannst du nicht bei uns bleiben? Geht es dir gut?“
    „Mir geht es gut! Sie wollen, daß ihr in der Parade mitmarschiert, Karin!“
    „Aber wo sind wir denn?“ schrie Sam-Deg. „Diese Ningan ist uns vorausgegangen. Ist das … nein, das ist nicht die Stadt, von der wir gehört haben, oder?“
    „Nein“, lachte ich. „Nein, das ist nicht die Stadt.“ Ich betrachtete die Kais, die Einfriedungen, die glänzenden Bara-Bäume dazwischen. Ich roch die faulige Luft.
    „Wir sind in Itsik gelandet!“

 
Der Große Älteste
     
    Der Grund für unsere Landung in Itsik ließ sich sogleich am Kai erkennen. Zwei Schiffe waren neben der Esnar vertäut: das eine war ein stämmiger Schlepper mit einem Schaufelrad und Segeln, das andere ein schwarzverkleidetes Schiff. Es war das Schiff des Großen Ältesten, und obwohl mir Dorn Brinroyan das finstere Fahrzeug als Bedrohung der Wasserläufe des Troons beschrieben hatte, war es nicht eindrucksvoll, ja kaum seetüchtig. Es war von dem kleinen Schlepper von Rintoul die Küste entlang gebracht worden. Aber das Banner an der Mastspitze mit dem Pentroy-Emblem der drei Knoten ließ es mir kalt über den Rücken laufen und machten mich besorgt.
    Es war Sonnenaufgang; ich betrachtete die Lagerschuppen und den verlassenen Kai. Die Einwohner von Itsik hatten Angst vor den Fremden und versteckten sich oder hielten, murmelnd und spähend, Abstand. Auf dem größten Kaigebäude stand oben eine mit Fischeingeweiden aufgezeichnete Zahl: ich erkannte, daß einer und zwanzig mal fünf der Fünfertage seit Neujahr vergangen waren. Ein Stern stand auf dem Kalender und ein hingekritzelter Vogel: wir waren am Vorabend eines Feiertages in Itsik angekommen. Morgen war Mittjahr, der sogenannte Dunkelste Tag, an dem Esder in der Konstellation des großen Vogels Vano schien. In Rintoul und im Nordosten ist dies das Fest der Vier Winde, die Zeit, um Drachen steigen zu lassen, aber im Westen entlang dem Datse und in Tsagul ist dies ein Fest des Feuers und des Windes. Ich erinnerte mich an den köstlichen Geruch verbrannter Blätter und Kerzenfetts in den Straßen von Tsagul. Ich hielt nach Gwell Nu Ausschau, konnte aber die dürre Gestalt der Heilerin nicht entdecken.
    Wir gruppierten uns am Kai: Menschen, Vasallen, Dolmetscherin, mehr Vasallen. Plötzlich ertönte, als wir im Takt eines Schlagstocks davonmarschierten, eine Stimme. „Geist von Eenath, ist das nicht die Dontroy-Kleine?“
    Es entstand ein Gewirr; alle, die sich in den Lagerschuppen versteckt hatten, um sich die „Teufel“ anzusehen, stürzten hervor. Ich wurde allerseits bejubelt; ich fühlte eine traurige Blase des Lachens in mir aufsteigen und winkte freigiebig. Der Anblick einer Mitgefangenen, die so lange für tot gehalten worden war, war für die

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