Das Feuer des Daemons
das wäre?«
»Ich werde herausfinden, wo Therese wohnt«, sagte er. Wie ein tödlicher Dolch schlich sich Bösartigkeit in seine Stimme. »Ich wüsste zu gern, wie es ihr gefällt, wenn jemand in ihren Sachen herumwühlt. Außerdem interessiert mich sehr, was ich dabei finden würde. Und im Anschluss werde ich diesen Hexer Brandon auftreiben. Ich könnte sogar bei Jaydon Guthrie vorstellig werden. Dann werden wir ja sehen, welche Geschichte uns dieser Orakelmond zu erzählen hat.«
Sie schnaubte. »Ich hab da noch eine Menschen-Redewendung für dich«, sagte sie schläfrig.
»Nämlich?«
Lächelnd sagte sie: »Sag mir bloß Bescheid, wenn ich dir je auf den Schlips trete, damit ich die Chance habe, mich zu entschuldigen.«
Belustigung tanzte in Khalils Energie. »Manchmal machst du mich sehr wütend«, sagte er. »Aber bisher ist mir noch nicht aufgefallen, dass du allzu sehr darauf versessen gewesen wärst, dich dafür zu entschuldigen.«
»Hmmm.« Vielleicht war es Zeit für eine strategische Ablenkung. Sie ließ ihre psychische Gegenwart mit großzügiger, gemächlicher Zärtlichkeit über seine streichen.
Er hielt die Luft an und flüsterte dann: »Schlaf ein, Liebste.«
Beim Klang dieses merkwürdig archaischen Koseworts tat ihr Herz einen Satz, und Wellen der Lust überliefen sie. Dann seufzte sie und tat genau das.
17
Ich liebe dich auch,
hatte Grace gesagt. Und das war etwas viel Radikaleres, als ihn einfach nur als Freund zu bezeichnen.
Auch.
Als wüsste sie etwas, das er nicht wusste.
Angespannt lag Khalil neben Grace und sah ihr beim Schlafen zu. Wie kam es, dass diese junge Menschenfrau ihm nach so kurzer Zeit schon so viel bedeutete? Es war in weniger als zwei Wochen geschehen. Gerade mal eine Handvoll Tage.
Sein Krieg mit Lethe hatte länger gewährt als manche Zivilisationen. Manchmal hatte er mehrere Jahre gebraucht, um zu entscheiden, wo er Urlaub machen wollte. Im Jahr 1906 war er Leo Tolstoi begegnet, und der russische Autor hatte ihn so fasziniert, dass Khalil beschloss, darüber nachzudenken, ob er
Krieg und Frieden
lesen sollte. Entschieden hatte er sich bis heute nicht. Es war nicht so, dass er nicht entschlussfreudig gewesen wäre, er hatte nur einfach keinen Grund, etwas zu überstürzen.
Nie zuvor hatte er sich die Mühe gemacht, Stunden und Tage zu zählen, aber jetzt hatte er damit angefangen, jetzt zählte er jeden ihrer Atemzüge. Mit quälender Verblüffung betrachtete er das schwache Heben und Senken ihrer Brust. Sie würde in ihrem Leben nur eine begrenzte Zahl von Atemzügen nehmen können, und dann würde sie für immer aufhören zu atmen. Max und Chloe, diese Vogelbabys mit ihren strahlenden Augen, würden nur sehr, sehr kurz leben.
Früher war ihm ihr Leben klein vorgekommen, weil es sich jenseits von Politik, den Belangen der Welt und gewalttätigen Kämpfen um Macht und Magie abspielte. Jetzt erkannte er, wie groß es in Wirklichkeit war, weil dieses Leben das Einzige war, was zählte. Sie selbst war das Einzige, was zählte. Die freudige Überraschung über jede gemeinsame Entdeckung war mehr wert als der Schatz von Königen, spannender als die spektakulärste Verfolgungsjagd, schöner als die exotischste Landschaft.
Er beobachtete Grace mit akribischer Gründlichkeit. Auch wenn es ihn beunruhigte, war die Struktur, die sich aus ihrer hellen, wilden Energie ergab, vermischt mit der dunklen Kraft, sehr schön. Die Struktur bewegte sich und schien zu atmen, sie war ein Teil der lebendigen Gegenwart, die ihr Leben durchströmte. Er hatte befürchtet, die Dunkelheit könnte ihre angeborene magische Energie beflecken und verunreinigen, könnte die strahlende Stärke trüben, die so einzigartig für Grace war. Aber das schien nicht zuzutreffen. Es sah eher aus, als würde die dunkle Kraft verstärken, was bereits vorhanden war.
Wie würde sie sich verändern? Würde er recht behalten? Wurde sie wirklich auf eine Art zum Orakel, wie es keine ihrer Vorgängerinnen gewesen war?
Wie er ihr schon gesagt hatte, war er kein Heiler und auch kein Experte für menschliche Physiologie; trotzdem untersuchte er ihren Körper so gründlich, wie es ihm möglich war, weil er sehen wollte, ob die Veränderungen der Kraft toxische Auswirkungen hatten. Sie machte einen vollkommen gesunden Eindruck auf ihn, ihr junger Körper war stark und voller Vitalität.
Ein leichtes Rosa tönte ihre Wangen, ihre Wimpern hatten ein tiefes, rötliches Nerzbraun, das dunkler war als ihr kurzes,
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