Das Feuer des Daemons
etwas Wunderschönes sein, und niemals würde es der Tag mit der samtenen Umarmung der Nacht aufnehmen können. Aber Dunkelheit war etwas ganz anderes als diese Zerbrochenheit.
Das Gesicht der gegenwärtigen Phaedra zog sich zusammen. Sie schrie, und ihre Schreie waren so voller Wut und Schmerz, voll zersplittertem Glas und einer so vernichtenden Zerstörung, dass es Grace beinahe in die Knie gezwungen hätte.
Sie war entsetzt von dem, was sie da ausgelöst hatte. »Es tut mir so leid«, wollte sie sagen. Doch bevor sie die Worte fand, stürzte sich der Geist, schneller als sie denken konnte, auf die gegenwärtige Phaedra und hüllte sie ein.
Diese schrie und schrie, jenseits aller Laute, die ein Mensch hervorbringen kann. Die Qualen in den Schreien waren so groß, dass Grace sich schließlich die Ohren zuhielt und ihr Tränen über das Gesicht liefen. Wie konnte man weiterleben, wenn man etwas Derartiges in sich trug? Es war unerträglich. Kein Lebewesen sollte etwas erleben müssen, das so entsetzlich war, dass es solche Schreie verursachte.
Unter dem Schreien hörte Grace nun noch etwas anderes.
Entscheide dich für mich. Entscheide dich für mich.
Fast unhörbar, nur in ihren Gedanken, sagte der Geist es immer wieder.
Entscheide dich für mich.
Die Schreie hörten auf. Zurück blieb dröhnende Stille.
Der Geist sank in Phaedra ein, die zitterte und sich krümmte. Grace konnte spüren, wie sich Phaedra in Krämpfen wand. Dann, mit einer Erschütterung, die das ganze Haus erbeben ließ, glich sich ihre Gegenwart an eine neue Struktur an und
rastete ein
.
Oh bitte, mach, dass das etwas Gutes ist.
Grace rieb sich die Augen. Als sie wieder sehen konnte, war Phaedras Gestalt kaum noch zu erkennen. Die Gegenwart der Dschinniya wirkte zerbrechlich und auf grundlegende Weise verändert. Grace sagte: »Was kann ich tun, um dir zu helfen?«
Ich muss mich ausruhen.
Dann sagte Phaedra langsam:
Ruf mich, wenn du in Not bist, und ich werde kommen. Ich schulde dir einen Gefallen.
Während die Gegenwart der Dschinniya verblasste, spürte Grace, wie sich etwas bei ihr einnistete. Es war etwas Winziges, kaum Wahrnehmbares.
Ein Verbindungsstrang.
Sie wandte sich um, stützte die Hände auf die Arbeitsplatte und stand eine Weile einfach nur so da, bis ihr rasendes Herz sich beruhigt hatte. Sie konnte es nicht erwarten, Khalil zu erzählen, was geschehen war. Oder fürchtete sie sich davor? Vielleicht beides.
Phaedra hatte so zart und dünn wie Papier gewirkt, bevor sie verschwunden war. Als wäre sie kaum noch lebensfähig.
Aber es gab eine Verbindung.
Am liebsten hätte Grace diesen Strang in Watte gepackt und eine Schleife darumgebunden. Sie hätte ihn den ganzen Tag lang schwankend und beunruhigt anstarren können. Aber sie hatte einiges zu erledigen.
Unter dem Orakelmond, wenn der Schleier zwischen den Zeiten und Welten dünner wurde und sich Möglichkeiten vereinigten, wurden Dinge zusammengeführt. Es konnte teuflisch unberechenbar und dramatisch sein.
Dann war diese Sache also gegessen, ja? Sie hatte nämlich vor, ein Moratorium von mindestens ein paar Wochen für unberechenbare Dramen auszurufen. Und wenn sie schon ein Moratorium ausrief, konnte sie auch gleich ein Jahrzehnt daraus machen. Sie würde auf die Abwesenheit von unberechenbaren Dramen bestehen, bis die Kinder achtzehn waren. Allerdings würde Chloe schon einige Zeit vorher in die Pubertät kommen, und Grace hoffte, dass sie bis dahin sehr gut krankenversichert sein würde. Sie würde nämlich einen Therapeuten brauchen, um diese Jahre durchzustehen.
Khalils Reaktion würde erst mal warten müssen. Sie musste die Kinder abholen.
Sie kochte Kaffee, befüllte einen Thermobecher und begann mit ihren Besorgungen. Der erste Punkt auf der Tagesordnung? Diesen irrwitzigen Scheck an einem Geldautomaten ihrer Bank einzuzahlen, bevor sie irgendetwas Dummes tat – wie Kaffee über ihre Handtasche zu schütten. Als sie die Zahlenfolge eintippte und zusah, wie das Gerät ihren Einzahlungsumschlag verschluckte, lachte sie laut los. Oh ja, das würde ihr morgen einen Anruf von einem verblüfften Bankmitarbeiter einbringen.
Dann fuhr sie Richtung Süden zum nächsten Baumarkt und gab ihr restliches Bargeld für ein kleines aufblasbares Kinderplanschbecken in Regenbogenfarben, buntes Wasserspielzeug aus Plastik, einen roten Eimer, zwei Packungen im Dunkeln leuchtender Sterne und Kindersonnenspray aus.
Wann würde Khalil vorbeikommen? Sie vermisste ihn
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