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Das Feuer des Daemons

Das Feuer des Daemons

Titel: Das Feuer des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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viel.«
    Niko hatte eine einfache Website eingerichtet, um die Ratsuchenden vorzubereiten. Es gab einen kurzen Abschnitt über die Geschichte des Orakels und einen darüber, was einen Besucher bei der Ankunft erwartete. Außerdem gab es eine Seite, die den alten Gesellschaftsvertrag erläuterte: dass das Orakel zwar seinen Dienst erfüllte und keine Bezahlung verlangte, dass jedoch für die Instandhaltung und den Unterhalt des Anwesens Spenden von essenzieller Bedeutung waren. Er hatte sogar einen PayPal-Button eingerichtet. Die Webseite brachte halbjährlich zwischen zwei- und dreihundert Dollar ein.
    »Sie brauchen es nicht jetzt gleich zu tun. Sie können wiederkommen, wenn Sie sich dazu bereit fühlen«, sagte Grace noch einmal.
    Sie ging hinaus und wartete im Sonnenschein, während Don und Margie miteinander sprachen. Obwohl sie versuchte, nicht zu lauschen, konnte sie Bruchstücke des Gesprächs verstehen. Es war schwer für Grace, dieses Ringen mit anzuhören, denn die Trauer der beiden ging ihr selbst viel zu nah. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und starrte finster ins hohe Gras. Die Wiese war mit leuchtenden Farbtupfern übersät, hauptsächlich gelber Löwenzahn, aber auch weiße und lila Wildblumen.
    Für Menschen, die nicht daran gewöhnt waren, war es wirklich ein merkwürdiges Gefühl, in die Höhle hinabzusteigen. In den alten Geschichten war die Rede von Ratsuchenden, die sich dem Orakel nur unter ehrfürchtigen Gebeten näherten.
    Doch am Morgen zuvor war die Kraft so stark und klar zu ihr gekommen, und Grace sah keinen Grund, warum sie das nicht wieder tun sollte.
    Sie tastete die Ränder ihres Bewusstseins ab und fand die Kraft, tief in ihrem Inneren eingebettet, tiefer noch als das Bauchgefühl. Ein uralter Quell, der sie wie ein dunkles, unterirdisches Meer durchflutete. War das wirklich ein Geschenk der Göttin der Tiefe? Oder stammte es von einer anderen, einer fremden, machtvollen Kreatur? Die ältesten Geschichten, die Grace’ Großmutter ihr erzählt hatte, waren ein Gemisch aus Aberglauben und Mythos. Es hieß, die ersten Orakel hätten die Kraft angebetet. Sie sollen geglaubt haben, sie würden die göttlichen Worte sprechen. Im Lauf der Jahrtausende hatte sich diese Einstellung weiterentwickelt und verändert, aber wenn ihre Großmutter und Petra davon sprachen, im Dienste der Orakelkraft zu stehen, hatte es stets danach geklungen, als wären sie dieser Kraft unterworfen. Da Grace keine eigenen Erfahrungen besaß, hatte sie den beiden einfach geglaubt, ohne das Gehörte zu hinterfragen.
    Bis jetzt. Mit ihrem Bewusstsein tastete sie die Ränder der Kraft ab. Zum ersten Mal, seit sie zu ihr gekommen war, erkundete Grace die Kraft richtig. Sie machte einen unbändigen, ungezähmten Eindruck, fast so, als hätte sie einen eigenen Kopf, aber trotzdem war sie keine Person im eigentlichen Sinne. Von den Gespenstern, denen sie begegnet war, und den dunklen Geistern, die sie vom Grundstück verjagt hatte, wusste Grace, wie sich Persönlichkeiten anfühlten. Dass sie sich an Khalils Gegenwart gewöhnte, hatte ihr Verständnis dafür weiter geschärft. Obwohl die Kraft des Orakels unermesslich riesig war, konnte Grace deutlich erkennen, dass sie zu unvollständig war, um eine Persönlichkeit zu sein.
    Sie überlegte: Wie konnte jemand magische Energie besitzen, ohne eine Person zu sein? Gar nicht. Ebenso wenig wie eine Begabung fürs Zeichnen existieren konnte, ohne sich in jemandem zu manifestieren. Andererseits wurden in Familien ererbte Fähigkeiten und Eigenschaften weitergegeben, die sich über Generationen hinweg manifestierten.
    Grace war nicht die Erste in ihrer Familie, die eine Affinität zu Geistern hatte. Der Unterschied bestand darin, dass die magische Kraft, mit der sie zur Welt gekommen war, ein Teil ihrer selbst zu sein schien, während ihr diese andere Kraft sehr alt vorkam.
    Vielleicht hatte sie früher einmal zu einer Person gehört, zu jemandem, der vor langer Zeit gestorben oder getötet worden war und dessen magische Energie sich danach abgespalten hatte. Denn weil sie nicht existieren konnte, ohne sich in jemandem zu manifestieren, hatte sie bei einer anderen Person Unterschlupf gesucht. Und danach wieder bei einer anderen. Der Gedanke erschien ihr richtig, irgendwie wahr. Wieder kam es ihr vor, als spürte sie einen dunklen Ozean, der überall in ihr wogte, sich ihrer Berührung jedoch entzog.
    Sie richtete ihre ganze Aufmerksamkeit nach innen und versuchte, ihn zu

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