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Das Feuer des Daemons

Das Feuer des Daemons

Titel: Das Feuer des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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fassen zu bekommen. Wieder wich die Kraft zurück, als wollte sie sich vor Grace verstecken.
    Etwas in ihrem Kopf rastete ein, wie in dem Moment, als sie Khalil im Kinderzimmer mit den Kleinen hatte sprechen hören oder als Chloe sie als böse bezeichnet hatte.
    Oh nein, das wirst du nicht,
sagte sie zu dem Etwas, das in ihr zum Leben erwacht war.
Deinetwegen muss ich mich mit einer Menge Mist in meinem Leben herumschlagen. Du hast mich gewählt. Gut. Dann gehörst du mir. Hast du verstanden? Du kommst, wenn ich dich rufe, weil du jetzt mir gehörst.
    Vielleicht hätte sie das nicht getan, wenn sie kurz darüber nachgedacht hätte. Aber sie dachte nicht nach. Stattdessen drang sie tiefer in ihr Inneres vor, und so ähnlich, wie sie es bei der Verbindung zu Khalil gemacht hatte, packte sie die Kraft des Orakels und
riss
daran.
    Sie waren verbunden. Einen anarchischen Augenblick lang sträubte sich die Kraft gegen Grace’ Griff, heftiger und stürmischer, als sie erwartete hätte. In einer tosenden Woge brandete das Meer auf und drohte sie zu verschlingen.
    Oh nein
, dachte sie.
Du hast hier nicht das Sagen. Ich habe das Sagen, du gehörst nämlich mir.
Sie schlang ihr Bewusstsein fester um die Kraft und hielt sie fest.
    Wieder wollte die Kraft zurückweichen.
    Nein. Sie würde nicht loslassen.
    Die sonnenbeschienene Wiese verschwand. Alles wurde dunkel. Grace blieb standhaft, während die Kraft in ihrem Griff wütete und toste wie ein wilder, ungezähmter Sturm. Abermals überkam sie das gewaltige Gefühl von Verbundenheit, der dunkle Ozean durchströmte alles und berührte alles, wo der Schleier von Raum und Zeit dünner wurde. Wenn sie jetzt losließ und hineinstürzte, würde sie unwiderruflich eine Schwelle überschreiten und in einem Zustand endloser Erleuchtung versinken. Sie hatte Geschichten von Orakeln gehört, die sich in der Kraft verloren und den Rest ihres Lebens in brabbelndem Wahn zugebracht hatten.
    Und das würde sie schlicht und ergreifend nicht tun. Schließlich war sie stur. In der Küche wartete Geschirr, das gespült werden musste, der Wagen brauchte einen Ölwechsel, und Max und Chloe mussten an diesem Abend ins Bett gebracht werden. Außerdem gab es da noch etwas, das sie zu tun versprochen hatte. Was das war, wollte ihr im Augenblick nicht einfallen, da alles in ihrem Kopf toste und zerrte, aber sie wusste, dass sie es versprochen hatte, und deshalb rang sie die Kraft gewaltsam nieder.
    In diesem Moment erblickte sie einen Geist.
    Sie erstarrte. Verwirrung taumelte durch ihre Gedanken. Sie konnte Geister »sehen«, wie zum Beispiel die ältlichen Frauen in ihrer Küche. Sie waren verschwommene, durchscheinende Schemen, die die normale Realität überlagerten.
    Orakelvisionen waren ein vollkommen anderes Erlebnis. Sie entströmten direkt dieser alten Kraft, und wie bei der Vision, die sie für Cuelebre gehabt hatte, wurden Grace’ normale Sinne dabei außer Kraft gesetzt.
    Der Anblick dieses Geistes kam ihr wie eine echte Vision vor. Noch eine Anomalie. Nach allem, was sie gelernt hatte, kamen Orakelvisionen nur für andere Personen zu ihr. Aber im Moment war niemand sonst in der Nähe. Konnte denn nicht mal irgendetwas so sein, wie es sein sollte?
    Dieser Geist war auch definitiv nicht der Vater von Don und Margie. Er war entweder Wyr oder Dämon, ein fremdartiges Geschöpf mit einem Gesicht, das an eine menschliche Frau erinnerte, nur dass die Züge zu scharf und länglich geschnitten waren und es eher eine Schnauze anstelle einer Nase hatte. Weiter hinten wurde der Kopf breiter und bildete eine Art Haube wie bei einer Kobra, ehe der ausgestellte Hals in einen Schlangenkörper von der Breite einer Männertaille überging.
    Ein Ruck der Erkenntnis durchfuhr Grace, tiefer als Wissen, tiefer als Instinkt. Sie entstammte der Kraft, die sie in Händen hielt. Sie sagte zu dem Geist:
Sie hat einst dir gehört. Diese Kraft stammt von dir.
    Der Geist starrte sie verblüfft an. Dann legte sich ein fideles, wildes Lächeln auf seine Züge.
Sehr gut, mein Kind. Sehr, sehr gut.
    Sie wusste, dass der Geist kein Englisch sprach, und trotzdem verstand sie jedes Wort. Das Blut rauschte in ihren Ohren, aber vielleicht war es auch der Klang des dunklen Ozeans. Die Erscheinung wurde deutlicher, und Grace glaubte, den Geist in einer Höhle vor sich zu sehen. Sie rang mit ihrer Verblüffung und fühlte sich auf merkwürdige Weise betrogen, als sie sagte:
Ich dachte, wir wären menschlich.
    Das bist du

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