Das Feuer Kabals
vergessen?«
»Niemals. Doch wir sind nicht mehr, wer wir waren, Uskai.«
Er nickte und lächelte, was eine Reihe scharfer Zähne entblößte. »Lass uns diesen Wahnsinn überleben, damit wir uns weiterhin an unsere gemeinsame Zeit erinnern können.«
Charna ergriff kurz seine Hand und lächelte, bevor sie ihren Weg zu der Bank fortsetzte, auf der Seraphia ruhte. Sie fühlte sich unwohl. Sie hatte Uskai nie vergessen, doch er war Teil einer Vergangenheit, die sie nur noch als solche sah und nicht erneut durchleben wollte. Als sie sich nicht mehr sehen konnten, hatte sie oftmals mit dem Gedanken gespielt, den Orden und Iidrash hinter sich zu lassen. Seinetwegen. Irgendwann hatte sie diese Impulse als töricht und kindisch verworfen. Sie ahnte, dass seine Gefühle in den letzten zwei Jahrhunderten beständiger gewesen waren. Sie hatte oft vermutet, dass er bereits als alter Mann gestorben sei. Sie schämte sich dafür, war er doch offensichtlich bei vollen Kräften und noch fern von seinen Zwielichtjahren. Ihre Gefühle ließen sie unsicher werden und riefen Zweifel wach. Es rührte sie zutiefst, dass er immer noch an ihr hing. Doch sie hatten als Paar keine Zukunft, nur eine Vergangenheit. Seral war jetzt der Partner ihrer Wahl und sie hatte ihm ihr Herz geschenkt.
Ich muss sachlich bleiben. Diese Sentimentalitäten sind nicht gut. Jetzt ist nicht die Zeit für Gefühle.
Sie bückte sich zu Seraphia und schüttelte sie sanft aus dem Schlaf. »Wach auf, Sera!«
Seraphia blinzelte einen tiefen Schlummer fort und setzte sich benommen auf. Uskai hatte einen Trinkschlauch von seinem Gürtel genommen.
»Met?«
Seraphia musterte den Trinkschlauch. »Was ist Met?«
»Ihr keinen Met in Iidrash haben?«, fragte Uskai in der Hochsprache Iidrashs.
»Die Importe sind rar geworden, seit dem Krieg mit den Frostreichen«, sagte Charna und reichte Seraphia den Beutel, nachdem sie selbst einen Schluck genommen hatte.
Seraphia trank vorsichtig und nahm dann noch einen kräftigen Schluck. »Besser als Wein!«
»Ich immer sagen!«, grunzte Uskai. »Bis trinken zu viel«, sein Lachen war tief und leise.
Charna zog Seraphia auf die Beine. »Hoch mit dir! Wir müssen Jenara vor Gorak retten. Ich habe beschlossen, ihr Asyl zu gewähren. Sie darf in diesem Kampf nicht fallen. Sie kann offiziell im Exil von Idrak aus herrschen, bis sie nach Tojantur zurückkehrt.«
Charna musterte Seraphia eindringlich. »Wie geht es dir?«
»Besser. Es ist still … im Moment.«
»Gut. Bleib in meiner Nähe!«
»Ich Heilmittel besorgen kann auf Weg«, sagte Uskai.
»Das einzige Heilmittel gegen … meinen Zustand wollen wir besser vermeiden, wenn wir zu Jenara vordringen«, sagte Seraphia und ging zum Höhlenausgang voraus.
»Was meint sie damit?«, fragte Uskai in seiner Muttersprache.
Charna sah ihr besorgt hinterher und antwortete ihm in derselben Sprache. »Sie meint den Tod, Uskai. Und das gefällt mir nicht.«
Sie hatten Seraphia bald eingeholt. Charnas ehemaliger Geliebter ging jetzt voran und führte sie durch die Eiswurmtunnel zurück zu der gewundenen Treppe. Sie erreichten den Ort, wo sie sich getroffen hatten und gingen in die Richtung, aus der Uskai mit den Flüchtlingen gekommen war.
»Wir Korridoren folgen, bis kommen zu Abgrund. Alte Brücke noch intakt ist und auf Seite gegenüber Riss in Eis von Steilwand. Er führen hoch. Hoffen ich, ihr gute Kletterinnen.«
Charna lachte leise. »Sorge dich nicht darum, ich hab gelernt zu fliegen. Wie geht es danach weiter?«
Uskai lachte, weil er Charnas Worte für einen Scherz hielt. »Wir erreichen Zugang zu Brücke. Alter Tunnel uns in Nähe Ügdra-Sill bringen, wo Jenara-Sjödra warten.«
In den Gängen und Fluren auf ihrem Weg hörte Charna das Knacken des Eises und fühlte die kalte Luft in den Lungen. Sie roch Uskai und Erinnerungen an ihre Jugend kehrten mit gemischten Gefühlen zurück. Sie hatte Jenara dafür gehasst, dass sie ihr die Rückkehr in die Frostreiche unmöglich gemacht hatte. Uskai musste es ähnlich ergangen sein. Doch in dieser Situation waren sie beide von Neuem vereint, um ausgerechnet ihr zur Hilfe zu eilen, eventuell sogar das Leben zu retten. Sie hätte gern darüber gelacht, aber sie konnte einfach nicht.
Sie erreichten das Ende des letzten Korridors und standen vor einer breiten Terrasse, der eine filigrane Brücke aus Metall entsprang. In einem kühnen Bogen dehnte sie sich über einen Abgrund, der durch eine Spalte im Eis entstanden war. Sie
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