Das Feuer Kabals
Dschungel kroch und die Luft heiß und schwül werden ließ. Dem feuchten Boden des verwucherten Urwalds entstiegen dunstige Schwaden, den Geruch von Pilzen und Verfall mit sich tragend. In der Finsternis unter den Blättern huschten kleinere und größere Reptilien umher, die Mikar nervös im Auge behielt. Er war inzwischen gezwungen, Lianen, Äste und Blätter zu zerreißen, um weiter voranzukommen. Faustgroße Käfer stürzten vom Blattwerk einer Pflanze mit fleischigen Zweigen, denen ein stinkender Saft entfloss. Als einer der grünen Käfer in seinem Gesicht landete und umherwuselte, fluchte Mikar laut. Sein Huf zermalmte den Panzer des Insekts, als es zu Boden fiel und eine gelbliche Pampe quoll daraus hervor.
Er rupfte sich durchs stickige Grün des Waldes, kam nur langsam voran und blieb stehen, als er unvermittelt auf ein monströses Spinnennetz starrte. Zahlreiche der grünen Käfer hingen zappelnd oder still und vertrocknet darin. Eine weiße Spinne in der Größe einer Melone krabbelte schnell auf dem Netz umher und Mikar trat sich einen Umweg frei. Er mochte Spinnen. Sie sollte leben.
Endlich konnte er ein niedriges Gebäude am Ende des Weges erkennen. Es war ein kaum mehr als fünfzehn Schritt breites und höchstens fünf Schritt hohes Steinhäuschen mit flachem Dach und von solider Bauart, so wie er es in Erinnerung hatte. Wie schon bei den rätselhaften Schlangenstatuen war auch hier keine Pflanze über das Bauwerk gewachsen. Dennoch wirkte es uralt und verwittert. Eine große, runde Tür war die einzige Öffnung auf der Vorderseite und das Relief einer stilisierten Schlange zierte dessen Oberfläche. Mikar umrundete das Gebäude und stellte fest, dass auf der Rückseite in wenigen Schritt Entfernung das steinerne Dach des Bauwerks steil in die Erde abfiel. Es konnte sich also um den Zugang zu einer unterirdischen Anlage handeln, was er damals bereits vermutet hatte. Zurück an der Vorderseite mit dem runden Tor, begutachtete er dessen Beschaffenheit. Es war ungefähr vier Schritt im Durchmesser und aus einem Stück dunkelgrünem Obsidian gefertigt. Die stilisierte Schlange im Relief wand sich im Kreis, der Kopf ruhte in der Mitte.
Eine Ruhestätte? Ein Grab?
Mikar ließ die Finger über den glatten Gesteinsblock gleiten. Das Schlangensymbol leuchtete gelb aus dem Inneren des Steins heraus auf. Er legte die ganze Hand fest auf das Zeichen und das Leuchten verstärkte sich. Mikar wollte die Hand zurückziehen, doch es ging nicht. Eine unbekannte Kraft hielt seine Finger an Ort und Stelle.
Verdammt! Daran kann ich mich nicht erinnern.
Ein Summen aus dem Obsidian erklang, gefolgt von mechanischen Geräuschen aus dem Inneren. Ein Schmerz schoss zwischen Mikars Schläfen. Etwas drang in seinen Kopf, suchte, stieß tiefer vor und forschte weiter. Bilder zuckten wie Blitze vor seinem inneren Auge auf und verschwanden genauso schnell wieder. Der Schmerz nahm zu. Er sah die Spinne, die Käfer, dann die Straße. Plötzlich war er zurück im Innenhof bei Charna und Jenara. Die Geschwindigkeit, in der die aufblitzenden Eindrücke erschienen, wurde geringer. Es war, als hätte das, was in Mikars Erinnerungsvermögen umhersuchte, etwas gefunden, dass es interessierte. Er fühlte sich einen Augenblick, als wäre er in der Zeit zurückversetzt. Er sah die Gottkaiserin und ihr Gefolge auftauchen, als er mit Thanasis und Charna sprach. Das Streitgespräch entfachte erneut vor seinen Augen und er hörte sich selbst sprechen.
»Das Verschwinden der Sidaji ist dein Machwerk, Hexe!«
Der Satz, den er der Gottkaiserin entgegengeworfen hatte, schlug ein Echo in seinen Gedanken, zusammen mit all der Wut über Jenara. Das Suchende, das sich in seinem Kopf ausgebreitet hatte, zog sich zurück.
Mikars Hand löste sich unvermittelt von dem Obsidian und er taumelte, kämpfte gegen das Schwindelgefühl, das ihn nun ergriff.
Das Tor rollte knirschend beiseite.
Mikar schüttelte das Haupt und wurde wieder klar im Kopf. Der Schmerz verschwand und hinterließ ein taubes Gefühl. Etwas, ein Wesen, eine Intelligenz womöglich, steckte hinter dem, was ihm soeben passiert war. Dieses Wesen mochte ihn in den Abgründen des Schlundes erwarten, der sich jetzt vor ihm in die Tiefe erstreckte.
Mikar hasste begrenzte Räume. Es war nicht so, dass er eine Angst vor engen Umgebungen hatte, aber sein wuchtiger Kentaurenkörper war nicht dazu geschaffen, Höhlen zu erkunden, zu klettern oder gar zu kriechen. Die Fähigkeiten, die er
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