Das Feuer Kabals
ein paar Strähnen darüber und hoffte, dass es niemandem auffallen würde. Eigentlich war es untersagt, persönlichen Schmuck zu tragen, wenn man das Innere Sanctum betrat.
Warum haben mich die Adeptinnen nicht darauf hingewiesen?
Sie ging gemäßigten Schrittes zwischen den Säulen zum Zentrum des Inneren Sanctums, wo sich ein Thron aus erstarrten Flammen vor dem mit Lava gefüllten Abgrund erhob. Sarinaca saß jedoch nicht dort, sondern stand mit der Äbtissin ins Gespräch vertieft vor einem großen Tisch an der Seite. Mehrere Dokumente lagen ausgebreitet darauf.
Oh nein! Ich muss ihr gegenübertreten? Und dass auch noch mit dem auffälligen Kamm im Haar?
Sie ging nervös weiter und betrachtete die Göttin des Feuers verstohlen aus der Ferne. Sie war klein und trug nichts bis auf ein Pentacut, das an allen Stellen mit ihrem Körper verbunden war. Anders als bei den Priesterinnen und Kujaans eigenem magischen Schmuck war das Metall von Sarinacas Pentacut mit der Haut und den Knochen verwachsen. Es schmiegte sich vollständig an ihren zarten Körper, wuchs an Knochenvorsprüngen und Gelenken deutlich daraus hervor und schien von innen heraus zu glühen, als ob es unvorstellbare Energien zurückhielt. Es war mehr ein Teil des Körpers, als etwas, das man nachträglich angefügt hatte. Die langen Haare der Göttin waren schwarz und rot wie glühende Kohlen, ihre Augen leuchteten wie Rubine. Sie beugte sich über den Tisch und wies auf eine Landkarte, auf der die Berge und Ebenen miniaturhaft nachgestellt waren. Es sah aus, als würde man auf ein Modell blicken, nur dass über der Landkarte Wolken schwebten und Kraindrachen umherflogen, ganz so, als würde es sich um einen verkleinerten Ausschnitt der wirklichen Welt handeln. Kujaan hatte so etwas noch nie gesehen. Die Äbtissin, muskulös und groß neben der zierlichen Göttin, stand mit verschränkten Armen daneben und schüttelte den Kopf.
Kujaan hielt in respektvollem Abstand zu Sarinaca und der Äbtissin an und fiel auf die Knie. Sarinaca drehte sich um und warf den Blick ihrer alles durchdringenden Augen auf Kujaan, die sofort das Haupt neigte.
»Steh auf, Kujaan!«
Die Stimme der Göttin war freundlich, aber resonierte machtvoll in Kujaans Ohren. Sie erhob sich und verbeugte sich erneut, bevor sie Sarinaca ansah. Die roten Augen schimmerten geheimnisvoll. Ein Lächeln umspielte die Lippen der Göttin. Noch nie war Kujaan ihr so nahe gewesen. Noch nie hatte sie mit der Göttin des Feuers gesprochen, auch wenn jedes ihrer Gebete seit so vielen Jahren nur ihr gegolten hatte. Ihre Handflächen waren feucht und Schweiß lief ihr Rückgrat hinab. Sie fürchtete, dass sie anfing, vor Nervosität zu zittern.
Passiert das wahrhaftig? Stehe ich vor Sarinaca?
»Komm zu mir, Kind!«
Kujaan zögerte und fühlte sich entrückt. Doch dann erlangte sie den Mut, einen Fuß vor den anderen zu setzen und trat vor ihre Göttin. Sarinaca umfasste Kujaans Schultern und musterte ihr Pentacut.
»Das ist eine solide Arbeit. Ich hatte mit Gritrok, dem Meisterschmied der Shedau‘Kin gesprochen, bevor er sich daran gemacht hat. Es sollte einige Verbesserungen enthalten. Bist du zufrieden damit?
Kujaan schluckte. Die Göttin Sarinaca selbst hatte ihr Pentacut beim Meisterschmied der Zwerge in Auftrag gegeben? Sie erinnerte sich an ihr Initiationsritual und den auffallend alten Zwerg, der mit seinen Hautzeichnungen und seiner Glatze einen furchterregenden Eindruck erweckt hatte.
Sie neigte zur Bestätigung das Haupt. »Ja, oh Sarinaca, Herrscherin über Kabal!«
Sie spürte den Finger der Göttin unter ihrem Kinn und hob den Blick.
»Du wirst dich daran gewöhnen müssen, mit mir zu sprechen, Kujaan. Deine Gemächer werden heute im Laufe des Tages hierher verlegt. Du wirst einen offiziellen Titel im Inneren Sanctum erhalten und neue Pflichten und eine gehörige Portion Verantwortung übernehmen.«
Die Göttin sah den Kamm in Kujaans Haar und lächelte. Sie winkte eine Priesterin herbei und richtete das Wort an sie.
»Sag dem Quartiermeister, er soll ein Gemach mit Doppelbett und Räumen für zwei Personen für die Herrin der Dunklen Flamme vorbereiten.«
Sie entließ die Priesterin mit einem Nicken und wandte sich der erröteten Kujaan zu, die Schwierigkeiten hatte, die rechten Worte zu finden.
Wie peinlich! Aber sie hat ganz anders reagiert, als ich gedacht habe. Soll ich mich jetzt einfach bedanken oder gibt es irgendwelche offiziellen Worte, die mir gerade nicht
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