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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Juan erzählte, ein berühmter Schauspieler vom Theater in Mexiko-Stadt, fehle ihm jede Erklärung dafür. Er wisse nur, daß er gekommen sei, um sich von der Schwindsucht heilen zu lassen, an der er seit Jahren gelitten habe. Er sei dem Tode nah gewesen, als seine Verwandten ihn zu jener Heilerin brachten. Sie half ihm, wieder gesund zu werden, und er verliebte sich Hals über Kopf in die junge schöne Indianerin und heiratete sie. Er hatte die Absicht gehabt, sie in die Hauptstadt mitzunehmen, wo sie beide durch ihre Heilkünste hätten wohlhabend werden können. Bevor die beiden aber die Reise nach Mexiko-Stadt antraten, eröffnete sie ihm, sie müßten sich verkleiden, um einem Zauberer zu entkommen.
    Schon ihre Mutter sei eine Heilerin gewesen, erklärte sie ihm, die ihre Kunst bei diesem Meister-Zauberer gelernt habe. Als Gegenleistung habe dieser verlangt, daß sie, die Tochter, ihr Leben lang bei ihm bleiben müsse. Der junge Mann wollte seine Frau nicht weiter über diese Beziehung ausfragen. Er wollte nichts anderes, als sie befreien, daher verkleidete er sich als alter Mann und sie sich als dicke Frau. Die Geschichte endete nicht glücklich. Das Ungeheuer ertappte sie und hielt sie gefangen. Sie wagten es nicht, vor diesem Alptraum von einem Mann ihre Verkleidung abzulegen, und in seiner Gegenwart benahmen sie sich, als haßten sie einander; aber in Wirklichkeit sehnten sie sich zueinander und lebten nur für die kurzen Fristen, wenn dieser Mann fortgegangen war.
    Und der junge Mann, erzählte Don Juan, umarmte ihn und erzählte, daß dieses Zimmer, in dem Don Juan schlief, der ei nzi ge sichere Platz im ganzen Hause sei. Ob er nicht hinausgehen wolle und aufpassen, während er selbst seine Frau liebte. »Das Haus bebte von ihrer Leidenschaft«, fuhr Don Juan fort. »Während ich vor der Tür saß und Schuldgefühle hatte, weil ich alles mit anhörte, und mich zu Tode fürchtete, daß der scheußliche Mann jeden Augenblick zurückkommen könnte. Und natürlich hörte ich ihn dann ins Haus kommen. Ich pochte an die Tür, und als sie nicht antworteten, ging ich hinein. Die junge Frau lag nackt und schlief, und der junge Mann war nirgends zu sehen. Noch nie im Leben hatte ich eine schöne nackte Frau gesehen. Ich war noch immer sehr schwach. Draußen hörte ich das Ungeheuer poltern. Meine Verlegenheit und meine Angst waren so groß, daß ich in Ohnmacht fiel.«
    Die Geschichte des Nagual Julian empörte mich maßlos. Ich sagte Don Juan, ich könne den Wert der Pirsch-Künste des Nagual Julian mitnichten einsehen. Don Juan hörte mich an, ohne Einwände zu machen, und ließ mich drauflosplappern. Als wir uns schließlich auf eine Bank setzten, war ich erschöpft. Auf seine Frage, warum sein Bericht über die Lehrmethode des Nagual Julian mich so empört hätte, wußte ich nichts zu sagen.
    »Ich werde das Gefühl nicht los, daß er ein Possenreißer war«, sagte ich schließlich, »Possenreißer haben nicht die bewußte Absicht, mit ihren Possen etwas zu lehren«, entgegnete Don Juan. »Der Nagual Julian spielte Dramen, magische Dramen, die eine Bewegung des Montagepunktes verlangten.«
    »In meinen Augen war er ein sehr selbstsüchtiger Mensch«, beharrte ich.
    »So kommt es dir vor, weil du urteilst«, erwiderte er. »Du bist ein Moralist. Auch ich habe es so erlebt. Wenn du jetzt, wo du vom Nagual Julian hörst, solche Gefühle hast, dann bedenke, wie ich mich fühlen mußte, als ich jahrelang in seinem Haus lebte. Ich verurteilte ihn, ich fürchtete ihn und ich beneidete ihn - in dieser Reihenfolge.
    Ich liebte ihn auch, aber mein Neid war stärker als meine Liebe. Ich beneidete seine Leichtigkeit, seine geheimnisvolle Fähigkeit, jung oder alt zu sein, ganz wie es ihm beliebte. Ich beneidete seine Ausstrahlung und vor allem seinen Einfluß auf jeden, der in seine Nähe kam. Ich ging die Wände hoch, wenn ich hörte, wie er andere Menschen mit den interessantesten Gesprächen fesseln konnte. Er hatte immer etwas zu sagen. Ich nie. Und immer fühlte ich mich unfähig, ausgeschlossen.«
    Don Juans Geständnisse waren mir peinlich. Ich wünschte mir, er möge das Thema wechseln, denn ich wollte nicht hören, wie sehr er mir ähnelte. In meinen Augen war er unerreichbar. Er wußte offenbar, wie mir zumute war. Er lachte und klopfte mir den Rücken.
    »Mit dieser Geschichte von meinem Neid«, fuhr er fort, »will ich dich auf etwas sehr Wichtiges aufmerksam machen. Nämlich, daß es die Position des

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