Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
Montagepunktes ist, die darüber entscheidet, wie wir uns verhalten und wie wir fühlen. Mein großer Fehler damals war, daß ich dieses Prinzip nicht verstand. Ich war unerfahren. Ich lebte, genau wie du, aus meinem Eigendünkel, denn das war's, wo mein Montagepunkt festsaß. Weißt du, ich hatte noch nicht gelernt, daß man diesen Punkt in Bewegung bringt, indem man neue Gewohnheiten annimmt, indem man ihn in Bewegung bringen will. Als er sich dann bewegte, war es, als hätte ich eben erst entdeckt, daß es im Umgang mit unvergleichlichen Kriegern wie meinem Wohltäter nur eine Möglichkeit gibt, nämlich keine Selbstüberschätzung zu haben, so daß man sie vorurteilslos anerkennen kann.«
    Und er sagte, daß es zwei Formen von Erkenntnissen gebe. Die eine sei lediglich aufmunterndes Gerede, große Gefühlsausbrüche, und nichts dahinter. Die andere sei das Produkt einer Verschiebung des Montagepunktes; sie ginge nicht mit Gefühlsausbrüchen einher, sondern mit Taten. Die emotionalen Erkenntnisse kämen erst Jahre später, nachdem der Krieger durch stetige Übung die neue Position seines Montagepunktes gefestigt habe.
    »Der Nagual Julian führte uns alle unermüdlich zu einer solchen Verschiebung hin«, fuhr Don Juan fort. »Es gelang ihm, uns alle zu vorbehaltloser Kooperation und Mitwirkung bei seinen überlebensgroßen Dramen zu gewinnen. Bei seinem Drama von dem jungen Mann und seiner Frau und deren Unterdrücker, zum Beispiel, hatte er meine ungeteilte Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Mir erschien die Geschichte von dem Alten, der jung war, sehr logisch. Ich hatte das Ungeheuer mit eigenen Augen gesehen, und das bedeutete für mich, daß meine unabänderliche Zuneigung dem jungen Mann gehörte.«
    Don Juan erzählte, daß der Nagual Julian ein Magier, ein Zauberer gewesen sei, der die Kraft des Willens in einem für den Durchschnittsmenschen unbegreiflichen Maß zu handhaben wußte. In seinen Dramen spielten magische Figuren mit, die er durch die Kraft der Absicht beschwor, wie etwa jenes anorganische Wesen, das eine groteske menschliche Gestalt annehmen konnte.
    »Die Kraft des Nagual Julian war so makellos«, fuhr Don Juan fort, »daß er den Montagepunkt eines jeden zwingen konnte, sich zu verschieben und jene Emanationen auszurichten, die es dem Betreffenden erlaubten, wahrzunehmen was immer der Nagual Julian wollte. Zum Beispiel konnte er sehr alt oder sehr jung aussehen für seine Jahre, je nachdem, was er damit erreichen wollte. Jeder, der den Nagual kannte, wird sagen, daß sein Alter wechselte. In den zweiunddreißig Jahren, die ich ihn kannte, war er manchmal nicht viel älter, als du es jetzt bist, und dann war er wieder so hinfällig und alt, daß er kaum laufen konnte.« Unter der Führung seines Wohltäters, so erzählte Don Juan, habe sich sein Montagepunkt unmerklich, aber gründlich bewegt. So erkannte er zum Beispiel - eines Tages, und wie aus dem Nichts -, daß er von einer Furcht besessen war, die ihm einerseits unverständlich, andererseits das Verständlichste von der Welt erschien.
    »Ich hatte Angst, daß ich durch eine Dummheit meine Chance, frei zu sein, verlieren und das Leben meines Vaters wiederholen könnte. Es war nichts Unrechtes am Leben meines Vaters. Bewahre. Er lebte und starb nicht besser oder schlechter als die meisten Menschen. Das Entscheidende war, daß mein Montagepunkt in Bewegung geriet und ich eines Tages erkannte, daß Leben und Tod meines Vaters keinerlei Sinn gehabt hatten, weder für ihn selbst noch für andere.
    Mein Wohltäter sagte mir, daß mein Vater und meine Mutter nur gelebt hatten und gestorben waren, um mich als ihr Kind großzuziehen, und daß deren Eltern für sie das gleiche getan hatten. Etwas anderes ist es bei einem Krieger, sagte mein Wohltäter, denn er kann seinen Montagepunkt weit genug verschieben, um den furchtbaren Preis zu erkennen, der für sein Leben entrichtet wurde. Diese Verschiebung flößt ihm Achtung und Ehrfurcht ein - für das Leben im allgemeinen, und auch für die Tatsache des Lebendigseins im besonderen - wie seine Eltern es nie erfahren durften.«
    Der Nagual Julian, so erzählte Don Juan, habe es nicht nur geschafft, seine Lehrlinge so zu führen, daß sie ihren Montagepunkt in Bewegung brachten, sondern dabei auch selbst seinen Spaß zu finden gewußt.
    »Mit mir hatte er bestimmt eine Menge Spaß«, fuhr Don Juan fort. »Jahre später, als dann die übrigen Seher meines eigenen Zuges kamen, freute ich mich immer im

Weitere Kostenlose Bücher