Das Feuer von Konstantinopel
Leuchtkraft, die auf der Welt als einmalig galt. Es war das berühmte Feuer von Konstantinopel . Ein hoch gefährlicher Edelstein, der den meisten seiner Besitzer bitteres Unglück bescherte.
Die Menge faszinierte das Spektakel um dieses Juwel.
„Feuer von Konstantinopel“, raunten sich die Menschen zu und das Blitzen in den schwarzen Augen von Sinan Khan verriet, dass der Rubin über seiner Stirn wahrlich nicht das Gefährlichste an ihm war.
Von all dem schien die Frau mit der blauen Reisetasche gänzlich unberührt zu sein. Sie hatte nur Augen für das lächelnde Gesicht seiner Kaiserlichen Hoheit. Für einen Moment war es ihr, als hätte der Kaiser sie erkannt, als hätten sich ihrer beider Blicke getroffen.
„Der Kaiser!“, flüsterte sie verzückt. Ihre Augen glänzten vor Glück, sie kämpfte mit den Tränen, so gerührt war sie von seinem Anblick.
Allzu schnell verschwand der Kaiser im Tiergarten. Der Zauber war gebrochen. Sie wandte sich wieder an den Jungen mit den Postkarten neben ihr.
„Ich nehme eine!“, sagte sie. Sie gab ihm fünf Pfennig und nahm die Postkarte an sich. Der Junge versuchte sein Glück erneut:
„Und die Kaiserin?! Allein der Schmuck, den sie am Hals hat, ist die fünf Pfennige wert. Funkelt wie echt!“
„Danke vielmals, vielen Dank auch!“, lächelte die Frau den Jungen an. „Wir werden uns bald wiedersehen, Felix. Aber jetzt muss ich den Kaiser sprechen, ich bin in Eile.“
Der Junge sah ein, dass es sich hier nicht mehr lohnte, seine Zeit zu vertrödeln. Die Frau ließ sich sowieso nicht mehr erweichen.
„Ich heiße immer noch Gustav, Gnädigste. An den Kaiser meine Verehrung. Grüßen Sie ihn schön!“ Mit diesen Worten verschwand er und setzte seine Suche nach neuen Kunden fort, bevor sich die Menge endgültig verlief. Denn der Kaiser war mit seiner Begleitung längst beim Jagen.
Nur langsam löste sich die Menge auf. Einige klatschten in die Hände. Das kurze Schauspiel hatte ihnen gefallen. Viele Gesichter glühten rot vor Aufregung. Erregt wurde miteinander debattiert, als hätte die flüchtige Begegnung mit Seiner Hoheit wichtige Aufschlüsse über den Lauf der Welt offenbart. Immer wieder wurden auch Summen genannt, die der Rubin von Sinan Khan wert sein sollte. Das Feuer von Konstantinopel beflügelte die Fantasie der Menge. Beseelt von den Träumen eines unschätzbaren Reichtums, dem sie zum Greifen nahe waren, schlenderten die Leute zurück in ihren Alltag.
Erleichtert beobachteten die Polizisten das Geschehen. Sie waren froh, dass niemand versucht hatte, auf den Kaiser einen Anschlag zu verüben. Alles war friedlich über die Bühne gegangen.
Nur die Frau mit der blauen Reisetasche ging gegen den Strom der Masse. Sie schritt in die Richtung, in die der Kaiser geritten war.
„Der Tiergarten ist gesperrt, hier kommen Sie nicht weiter, gnädige Frau!“, sprach sie einer der Polizisten an, um sie vom Weitergehen abzuhalten.
„Ich muss den Kaiser sprechen. Es ist dringend“, sagte sie höflich, aber knapp.
„Bittschriften kann die Polizei nicht entgegennehmen. Da wenden Sie sich bitte direkt an die Kaiserliche Residenz“, erklärte ihr der Polizeibeamte geduldig. Ihren verwirrten Zustand bemerkte er sehr wohl. Aber noch blieb er gelassen. Vielleicht ging sie ja weiter, und er wäre das Problem los.
„Sie verstehen nicht. Ich muss ihn sprechen. Persönlich. Daran werden Sie mich nicht hindern können. Es tut mir leid.“ Die Frau blieb beharrlich.
„Verstehe, gnädige Frau. Darf ich Sie bitten, Ihre Tasche zu öffnen!“, forderte der Polizist sie nun auf.
„Erlauben Sie mal!“, wehrte sie sich. „Unter keinen Umständen!“
„Wenn Sie nicht Folge leisten, muss ich Sie mit auf die Wache nehmen. Da werden wir dann weitersehen.“ Der Polizist musterte sie jetzt streng.
„Wagen Sie es ja nicht!“, drohte die Frau.
„Öffnen Sie die Tasche! Das ist ein polizeilicher Befehl!“, rief der Polizist unnachgiebig.
„Niemals!“, gab sie zurück.
„Das ist Widerstand gegen die Staatsgewalt. Sie kommen ins Gefängnis!“, beharrte der Polizist. Er meinte es ernst. Doch das schien die Frau nicht weiter zu beeindrucken.
Da nahte plötzlich Hilfe von völlig unerwarteter Seite.
„Ja, Fräuleinchen...“, ertönte es hinter ihr. Ein anderer Polizist kam auf sie zu, so, als wäre sie seine gute Bekannte.
Er lächelte sie an und sagte: „Sind Sie schon wieder auf Reisen? Wohin geht es denn diesmal? Was macht ihr Köpfchen? Geht es
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