Das Feuer von Konstantinopel
wunderhübsch!“, lächelte der Kardinal und hielt die bunte Vase mit einer Hand in die Luft.
„Vorsicht! Sie sollte nicht zerbrechen!“, bat der Prinz höflich.
„Was du nicht sagst, Hoheit?!“, antwortete der Kardinal. Aber sein Plan war schon gefasst: Mit voller Wucht schleuderte er das kostbare Gefäß gegen den gemauerten Kaminsims. Bunte Glassplitter regneten durch den Raum und verteilten sich über den ganzen Boden, als wäre ein Sack Edelsteine ausgeschüttet worden.
„Baptist! Geschwind! Hol’ eine kräftige Scherbe!“, befahl er.
„Warum?“, fragte Baptist und rührte sich nicht vom Fleck. Der Kardinal war erstaunt. Noch nie hatte Baptist Widerstand gezeigt.
‚Ich werde der Stimme nicht folgen!’, hämmerte es im Kopf des Jungen.
„Baptist...eine Scherbe! Ich will damit den Rubin herausschneiden, verstehst du denn nicht, was ich sage? Folge der Stimme, folge ihr!“
Doch Baptist blieb wo er war.
„Eher in den ewigen Schnee von Tibet...!“, flüsterte er zu sich.
Der Prinz jedoch beugte sich neugierig über die bunten Scherben, fasziniert von dem scharfkantigen Glas aus Venedig, das Jahrhunderte überdauert hatte. Es kam ihm unendlich viel kostbarer vor, als das Rubinauge des Wolfes. Vorsichtig streckte er seine Hand nach den gefährlich lockenden Scherben aus. Er wollte sie berühren.
In der Wand schlug die Geheimtüre auf und Felix stand mit einem Mal mitten im Raum. Er hatte sein Versteck verlassen und wollte das Schlimmste verhindern. Der Prinz durfte sich nicht in die Hand schneiden. Es wäre sein sicherer Tod.
„Nein!“, rief Felix aus Leibeskräften. „Nicht anfassen!“
Fräulein Romitschka hielt Hauptwachtmeister Kloppke am Arm fest. So etwas hatte sie noch niemals in ihrem Leben bei einem Menschen getan. Außer bei Felix. Den musste sie öfters festhalten.
„Bitte, nur einen Augenblick, bitte...!“, bat sie den Polizisten.
„Der Einsatz drängt... liebes, gnädiges Fräulein! Zwischen den Mauern dieses Schlosses passiert soeben ein Verbrechen. Bitte, unterhalten wir uns doch später über Ihren Kummer.“
Kloppke tat es ehrlich leid, dass er für seine Angebetete keine Zeit hatte. Immer häufiger ertappte er sich dabei, wie er seinen Beruf verwünschte, seit er Fräulein Romitschka näher kennen gelernt hatte.
Doch Fräulein Romitschka nahm seine Zurückweisung nicht hin. Sie bäumte sich regelrecht vor ihm auf und ihre Stimme wurde schärfer.
„Hauptwachtmeister Kloppke, ich habe eine dringende Zeugenaussage zu machen.“
Kloppke schluckte. Er hatte natürlich nicht vor, sie zu verärgern, ganz im Gegenteil.
„Bitte, sprechen Sie!“, forderte er das Kinderfräulein auf und versuchte es dabei mit einem amtlichen, neutralen Tonfall.
„Wenn es um Frisuren geht, glauben Sie mir, Herr Hauptwachtmeister, dann irre ich mich nie!“, legte Fräulein Romitschka los.
Ein junger Polizist trat an Kloppke heran und unterbrach das Gespräch.
„Melde gehorsamst, die Durchsuchung der Kellerräume war ohne Ergebnis. Wie lautet der neue Befehl?“
Immer mehr Polizisten versammelten sich um das Paar. Kloppke blickte in lauter fragende Gesichter.
„Waffen runter. Eine wichtige Zeugenaussage steht an. Ruhe, verdammt noch mal!“, kommandierte er. Fräulein Romitschka räusperte sich und setzte an:
„Eine Frisur ist immer eine äußerst individuelle Angelegenheit, meine Herren. Sie macht ihren Träger einmalig, jedenfalls bei genauerer Betrachtung. Sie ist so etwas wie ein Fingerabdruck, wenn Sie verstehen, was ich meine?“
Erste Mundwinkel verzogen sich auf den Gesichtern der Polizisten. Erst Kloppkes strafender Blick brachte wieder genügend Ernsthaftigkeit und Konzentration in die Situation.
Fräulein Romitschka fuhr unbeeindruckt fort: „Die Frisur von Felix von Flocke erkenne ich auch bei einem Schneesturm in der Südsee, das können Sie mir getrost glauben. Sie sieht immer gleich aus, gleich schlecht, weil ungekämmt. Verstehen Sie? Vorhin, als der Ruf ‘Polka’ ertönte, habe ich sie erspäht. Gleich da vorne beim Vorhang am rechten Bühnenrand. Ein groteskes Gesicht rief ‘Polka’, aber daneben kam das Haar von Felix zum Vorschein. Wie kommt der Junge ungesehen in den Ballsaal? Warum ruft man nach der Polka? In diesen Kreisen? Sehen Sie sich doch einmal um? Kein Mensch ist hier für eine Polka angezogen! Keine Frisur für diesen Hottentottentanz gesteckt! Es sollte Chaos angerichtet werden, da bin ich mir sicher. Ich kenne Felix. Sprach die
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