Das Feuer von Konstantinopel
ansehen konnte, welch eine Stimmung Esther im Ballsaal der Kaiserin verbreitete. Selbst Fräulein Romitschka hielt es nicht mehr auf ihrem Stuhl. Die Polka riss alles und jeden mit, wie ein großer mächtiger Fluss, kurz bevor er unaufhaltsam als Wasserfall in einen gewaltigen Abgrund stürzt... Wie gut, dass du da bist. Ich meine, ich bin nicht gerne allein.
Die Polka war zu Ende. Frau von Waldburg geleitete Esther mit ihrer Geige durch die glückliche Menge der Ballbesucher vor an den Platz der Kaiserin. Von allen Seiten her wurde dem Mädchen zu ihrem famosen Auftritt gratuliert. Die Menschen wollten mehr von ihr hören. Freundlich nickte Esther ihnen zu. Sie fühlte sich von ihrem Erfolg überwältigt. Aber es blieb ihr keine Zeit, den Herrschaften für ihren freundlichen Applaus zu danken, denn Frau von Waldburg duldete keinen Halt auf dem Weg zu Ihrer Majestät.
Die empfing das Mädchen mit einem Lächeln.
„So fröhlich ging es im Schloss ja schon lange nicht mehr zu! Danke für diesen Auftritt, Esther“, sprach die Kaiserin.
„Es ist mir eine große Ehre, Majestät“, antwortete Esther und blickte schüchtern zu Boden.
„Wie gefällt dir der Plan Erna Klimovskanowas, dich nach St. Peterburg auf das Konservatorium zu schicken? Ich will dir ein Stipendium gewähren, weil auch ich ganz fest an dich glaube. Du hättest keine Geldsorgen, wenigstens solange du studierst!“, sagte die Kaiserin und musste sich zurückhalten, das Mädchen nicht in die Arme zu schließen.
Esther wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Was ihr die Kaiserin da vorschlug, davon hatte sie immer geträumt.
Frau von Waldburg wurde ungeduldig, weil Esther nicht antwortete und sie gab ihr von hinten einen kleinen Stups.
„Was ist mit dir, Kind?“, fragte die Kaiserin besorgt nach. Denn Esthers Augen füllten sich mit Tränen.
„Dummes Ding!“, schimpfte Frau von Waldburg im Flüsterton. „Man weint doch nicht vor seiner Kaiserin! – Jetzt aber geschwind zurück auf dein Zimmer!“
Die Hofdame lächelte die Kaiserin entschuldigend an. Doch Esther blieb stehen. Sie ließ sich nicht so einfach wegführen.
„Er hat ihr etwas angetan...!“, stammelte Esther und sah dabei die Kaiserin an.
Frau von Waldburg durchfuhr ein Schrecken.
„Damit – was immer es auch ist – wollen wir die Kaiserin aber jetzt ganz bestimmt nicht belästigen!“, fiel sie Esther ins Wort. Energisch zog die Hofdame jetzt am Arm des Mädchens, es sollte ihr endlich folgen.
Die Kaiserin erhob sich.
„Nein, bitte, warten Sie noch, Frau von Waldburg! – Was wolltest du sagen, Esther?“, fragte die Kaiserin streng nach. „Wer hat wem etwas angetan?“
Auf einen Schlag hatte sich Stille im Ballsaal ausgebreitet. Ihre Majestät hatte sich erhoben! Niemand wagte mehr ein Wort zu sprechen. Gespannt blickten die Gäste zu der Monarchin und der kleinen Geigerin. Hatte sich das Mädchen etwa frech benommen und den Wünschen und Anweisungen der Herrscherin widersetzt?
Esther schluckte. Es gab nun kein zurück mehr.
„Sie ist doch meine Freundin“, sagte sie bedrückt.
Die Kaiserin sah Frau von Waldburg fragend an. Doch bevor die Hofdame in Esthers Andeutungen Klarheit schaffen konnte, besann sich das Mädchen selbst auf das, was es eigentlich sagen wollte.
„Frau Klimovskanowa ist vom Kardinal und dem Kutscher überfallen worden. Der Kutscher hat sie anschließend in den Stall gezerrt. Ich bete zu Gott, dass sie noch lebt!“
Ein Raunen ging durch den Saal. Kloppke und seine Männer legten ihre Instrumente zur Seite und machten sich einsatzbereit.
„Das klingt ja grauenvoll! – Du weißt, welch schwere Anklage du da erhebst? Ist das auch die Wahrheit?“, fragte die Kaiserin noch einmal streng nach.
„Ja, die volle Wahrheit. So wahr ich hier stehe!“, antwortete Esther verzweifelt. „Aber ich bitte Sie untertänigst, Sie dürfen nicht glauben, dass Felix und Baptist...!“
Doch Esther kam nicht dazu, ihren Satz zu Ende zu bringen. Die Kaiserin fiel ihr mit lauter Stimme ins Wort.
„Wir dürfen keine Minute verlieren! Rettet sie, rettet Erna Klimovskanowa...! Alle Wachen und Soldaten hierher!“, lautete ihr Befehl.
Der Prinz öffnete seine Zimmertüre einen kleinen Spalt breit. Er wusste nicht so recht, was er von dem Jungen, der da auf dem Flur stand und bei ihm angeklopft hatte, halten sollte.
„Ich bin Baptist!“, sagte der leise.
„Ich weiß wer du bist. – Was willst du?“, fragte der Prinz.
„Felix schickt
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