Das Feuer von Konstantinopel
mich“, log Baptist kaltblütig.
„Warum?“, wollte der Prinz wissen.
„Er sagt, du sollst mir deine Soldaten zeigen! Ihr hättet eine Schlacht aufgebaut. Die soll ich mir ansehen.“
„Du lügst. Felix hasst Soldaten. – Geh’ wieder! Ich habe zu tun!“, sagte der Prinz und sah sich nach den Wachen um. „Wo sind die Wachen? Warum sind sie nicht auf ihrem Platz?“
Gerade wollte er die Türe wieder schließen, da schlug ihm eine rote Faust entgegen und die Tür flog weit auf.
„Gib’ mir den Stein!“, rief der Kardinal aus und drängte die beiden Jungen mit Gewalt in das Innere des Zimmers. Er schloss die Türe und drehte den Schlüssel um. Niemand konnte mehr entkommen, niemand mehr den Raum betreten. Der Mond legte eine Lichtspur zum Wald des Figurentheaters.
„Ich fordere Sie auf: Verlassen Sie augenblicklich meine Räume!“, verlangte der Prinz unerschrocken.
Baptist staunte über den Märchenwald, in dem der einäugige Wolf lauerte. Der Junge war von der Kulisse überwältigt. So etwas hatte er in seinem Leben nie zuvor gesehen.
„Ist das echt? Was ist das?“, fragte er wie ein kleines Kind.
„Wir haben keine Zeit für Spielereien. Hilf’ mit suchen, Baptist!“, rief der Kardinal und wühlte sich durch die Kartons mit den Zinnsoldaten und dem anderen Spielzeug.
„Geh’ da weg!“, befahl der Prinz und stieß Baptist unsanft zur Seite. „Wage es ja nicht, den Wolf zu berühren!“
Der Kardinal wollte schon einschreiten und die beiden Jungen zur Räson bringen, da fiel auch sein Blick auf den Wolf. Das rote Auge des ausgestopften Tieres schien ihn förmlich zu blenden.
„Es ist das Auge...! Mein Gott, wie genial!“, sagte er mit zitternder Stimme. Der Verstand schien ihm zu schwinden. Die reine Gier hatte von ihm Besitz ergriffen.
Plötzlich wandelte sich das Licht im nachtdunklen Zimmer. Schatten tanzten über die Wände, wo vorher nichts war. Sie kamen von unten, vom Hof.
Baptist sah aus dem Fenster. Im Schlosshof wimmelte es nur so von Polizisten und Soldaten. Die meisten von ihnen hielten lodernde Fackeln in der Hand. Vier Männer trugen die leblose Erna Klimovskanowa aus den Stallungen und befreiten sie von ihren Fesseln. Die Sängerin wurde auf eine Bahre gebettet und ins Schloss gebracht. Den Kutscher führten zwei Soldaten ab. Dabei gingen sie nicht sehr zimperlich mit ihm um.
Gerade wollte Baptist Luft holen, um den Kardinal zu warnen, da sah er ihn den Wolf umklammern. Das Gesicht verzerrt zu einer Fratze versuchte er den Rubin von dem Tier zu lösen. Als er merkte, dass der Junge ihn beobachtete, fuhr er ihn an:
„Was ist da unten los, Baptist? Warum der Lärm?“
Den Wolf ließ er nicht los. Er versuchte weiter, das Auge auszukratzen und den Rubin an sich zu bringen.
Der Prinz warf Baptist einen Hilfe suchenden Blick zu.
‚Diesmal werde ich der Stimme nicht folgen!’, dachte sich Baptist.
„Es ist nichts! Es ist nichts! Die Ersten verlassen den Ball, daher der Lärm“, log er den Kardinal an und lächelte dem Prinzen zu.
Voll Hoffnung lächelte der Prinz zurück. Er hatte verstanden.
Felix ging im Zimmer von Baptist auf und ab. Wo sollte er noch suchen? Verzweifelt drehte er sich im Kreis.
„Leer. Es ist leer! Er ist fort!“, sagte er zu Giacomo, der in der offenen Geheimtüre stehen geblieben war.
Felix hatte jeden Zentimeter des Raumes durchsucht. Selbst unter dem Bett hatte er nachgesehen. Nirgends eine Spur von Baptist.
„Dann lass’ uns verschwinden! Nichts wie weg hier, bevor uns noch jemand entdeckt!“, jammerte Giacomo. „Aus dem Ballsaal kommt keine Musik mehr. Das ganze Schloss ist in Aufregung.“
Felix hörte ihm nur mit einem Ohr zu. Er dachte nach.
„Hoffentlich kommen wir nicht zu spät“, sagte er. „Sieh nur, die Fenster sind offen. Bestimmt ist er dort hinaus. Er liebt die Dächer...!“
„Mama mia!“, rief Giacomo aus. „Ich höre Schritte!“
Kurz entschlossen riss er Felix mit einem Ruck zurück in den Geheimgang und schloss leise die Türe. Die fügte sich jetzt wieder unsichtbar in die Tapete ein.
Felix spähte durch ein winziges Loch und beobachtete, wie Polizisten das Zimmer von Baptist stürmten. Allen voran Hauptwachtmeister Kloppke.
„Hier ist der Bursche nicht! Der Vogel scheint ausgeflogen!“, rief Kloppke. „Mir nach, Männer! Weit kann er nicht sein!“ Im Laufschritt verließen die Polizisten wieder den Raum. Die Tür fiel mit einem lauten Knall ins Schloss. Es herrschte Ruhe im
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