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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Kollege ihres
Mannes ein angeblich an ihn ausgeliehenes Tonband zurückforderte, machte sie
sich daran, das hinterlassene private Tonarchiv zu sichten, oder besser
abzuhören und zu ordnen. Nach Prüfung unzähliger Ton- und Geräuschbänder — unter
denen sich auch das gefragte befand — , stieß sie schließlich an einigermaßen
verborgener Stelle der Regale auf einen Karton, der besondere Zeichen trug und
mit Klebeband sorgfältig verschlossen war. Das Abspielen dieses »Schnürsenkels«
zeigte ihr ihren verstorbenen Gemahl von einer unbekannten Seite. Mit diesem
Magnetband enthüllte er ein Doppelleben, das sie nie bei ihm vermutet hätte.
    Sexuell frustriert von seiner Frau
— das Abspielgerät verriet es expressis verbis in einem der wenigen Dialogsätze
— , hatte er sich mit vielen anderen Bettgenossinnen getröstet und — Hobby und
Beruf glücklich verbindend — von diesen intimen Begegnungen mit oder ohne
Wissen seiner jeweiligen Partnerin tonmeisterlich perfekte Aufnahmen gemacht.
Zu diesem Zwecke mußte ihr Mann eine Absteige gehabt haben, in der eine
raffinierte Tontechnik installiert war.
    Hier kamen sie alle, die mehr oder
weniger hübschen Mitarbeiterinnen ihres Mannes, die sie größtenteils persönlich
kannte, zu eindeutiger Äußerung: die Tonassistentinnen, die Cutterinnen und
weiblichen Cutterlehrlinge, die IRT-Absolventinnen, die Elektromechanikerinnen
und Fernsehtechnikerinnen. Dann und wann gab es ein hitparadesüchtiges
Schlagerstarlet oder eine Nachwuchsschauspielerin, die ehrgeizig oder
gelangweilt war, was in diesem Falle zum selben Ergebnis führte.
    Natürlich war dieses gesammelte
und gestammelte Liebesgeflüster manipuliert, geschnitten, umgespielt, montiert.
Vor allem waren die Exklamationen und Anweisungen ihres Mannes bis auf
notwendige kurze Stichworte und Dialogsätze sorgfältig eliminiert, aber sonst
fehlten nur die Leerläufe, die unexpressiven Pausen, die Sekunden, in denen die
Damen ihre Sprache oder ihre Ausdrucksmittel noch nicht gefunden hatten. Ihr
üblicher Gleichmut verließ sie zum erstenmal. Die Knie wurden ihr schwach. Gott
sei Dank, daß die Kinder schon schliefen. Sie stand eine Weile unbeweglich,
unfähig zu denken. Dann drückte sie die Rücklauftaste des Tongerätes, sie
vermochte gerade noch die Haltetaste zitternd zu betätigen, bevor das Band aus
der Rolle schlüpfte. Dann machte sie das große Licht des Wohnzimmers aus und knipste
die heimelige Stehlampe an, löschte aber eine der beiden Lichtquellen wieder.
Dann rückte sie einen bequemen Fauteuil nahe an das Tischchen mit dem
Magnetophon und drückte — nach abermaligem Zögern — die Starttaste. Es geschah
kein Wunder, das Tonband war kein böser Traum, keine Einbildung gewesen. Es
lief mit schöner gleichmäßiger Geschwindigkeit ab und offenbarte abermals seine
Geheimnisse.
    Es war unleugbar seine Stimme, die
mit plump-vertraulicher Diskretion erst eine Erika annoncierte, später eine
Ivonne, Heidemarie, Annaluise, Ingrid und Barbara, Hilde und Ursel, Ute,
Hannelore und Birte... und andere Mädchennamen, deren Trägerinnen ihr aber
unbekannt waren.
    Was zwischen dieser con sordino
gemachten Aussage aber lag, war eine einzige, vielsätzige Sinfonie weiblicher
Lust, des Liebesrausches, der erregten Empfindung; des süßen Schmerzes und der
delirierenden Wonne, der stöhnenden Erfüllung, des Sehnens und Wünschens, der
verhaltenen Spannung und der wilden Gier, der jähen Gefühlsexplosion und der
allmählichen Ermattung.
    Eine Sinfonie mit heftigen
Akkorden aber auch mit scherzhafter Anmut, mit allegro animato, allegretto con
fuoco, presto furioso, mit pastosen Überleitungen und erregenden
Staccato-Passagen. Hier wurde gewimmert und geseufzt, geschrien und gehaucht,
wurden Liebesworte gestammelt und obszöne Vokabeln gebrüllt, hier wurde
Unsagbares bittend und fordernd geäußert, Geheimstes dokumentiert, Unterbewußtes
verraten.
    Der Gossenjargon wurde zum
Zärtlichkeitsbeweis, der heisere Brunst- und Wollustlaut war Gebet, Gebot,
Befehl und demütiges Flehen.
    Helle und tiefe Stimmlagen,
Sopran, Mezzo und Alt, Mädchen- und Frauenstimmen wurden zum dithyrambischen
Chor der Lust, der Brunst, des enthemmten Wollens und der dankbaren Erfüllung.
    Es war sehr aufregend. Brigitte
Maria rutschte immer tiefer in ihren Sessel, sie lag fast auf der Kante der
Sitzfläche und ihre Hände verkrampften sich in ihrem Schoß, während sie den Blick
nicht vom Tongerät zu reißen vermochte.
    Da waren Passagen

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