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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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und schnell. Sie geht in den Erholungsraum zu ihren
Kindern, die sie stürmisch begrüßen. Da kommt der Aufnahmeleiter
herbeigewieselt: »Frau Meier-Eschwege, wir haben ja die Masturbationsszene
vergessen, bei der vorhin das Bild riß!«
    Brigitte Maria zieht für jedes
ihrer Kinder ein Langnese-Eis aus dem Automaten, streicht ihnen freundlich über
die Köpfe und begibt sich gleichmütig ins Studio und an das Mikrophon. Ihr
Strickzeug ist auch schon ausgepackt. — Sie war ein Star — ein Star besonderer
Art — wir sagten es bereits eingangs.

Der Sarkophag
1
    »Na, Pauly, haben Sie ihren Kram
zusammen?«
    Atze Pauly war ein
Außenrequisiteur der Ufa in Neubabelsberg, ein altes Original noch aus den
Kintopps frühen Zeiten, und es handelte sich um die Möbel eines westpreußischen
Gutshofes in der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg für Filmaufnahmen im
vorletzten Jahre des Zweiten.
    »Allet bestens, Doktor,
primaprimissima... Frühet Kaiserreich, späte Neugotik mit ‘nem Schuß solida
Bürjerlichkeit... jenau passend, is ja schließlich keen hochadelijet
Ritterjut... Aber — «
    »Aber was?«
    »Aba eens macht ma ernsthaft
Ka-Ka-Ka-Kamalitäten.« Mit Fremdworten tat sich Pauly gelegentlich schwer. »Der
Prunksarch in dem der Tote im Salong uffgebahrt un nachher uff’m Jottesacker
bejraben wird... Nischt zu kriejen — nirjens. Särche sin Mangelware, jehn wech
wie... na von Semmeln darf ma heutzutaje ja jar nich mehr reden...« »Sprechen
Sie Klartext, Pauly, was ist los?« »Na klar doch, Doktor, wo lebn wa denn! Alle
Beerdigungsläden sin direkt ausjebucht, die Sarchtischler kommen eenfach nich
nach. Keen Wunder — alle zwee Tache: ›Anflug größerer Verbände uff die
Reichshauptstadt‹ — die Royal-Eir-Forze is ebent fleißig. Der Tommy schmeißt
schließlich nich mit Pralinen... ›Die Schädn sin gering‹, schreibn die ,
aber von die Toten keen Wort.« Unter die verstand Pauly distanzierend
und abwertend seine Intimfeinde, die Nazis. Er war ein alter Sozi, und sein
Vater hatte Bebel noch persönlich gekannt.
    »Mensch, Pauly, ich brauch’ den
Prunksarg. Die Totenwacht des verlorenen Sohnes geht optisch in den Eimer ohne
das zentrale dekorative Möbel ländlichen Trauerzeremoniells. Dazu brauch’ ich ‘ne
Wucht von Sarg... Und was soll aus der feierlichen Beisetzung am Devisenhügel
werden, wo die ganze Nachbarschaft von Marienwerder zusammenkommt. Mit
irgendeinem Tinnef ist mir da nicht gedient.«
    Der Devisenhügel war eine
künstlich aufgeschüttete Erhebung auf dem Freigelände des Ufakomplexes. Die
Erdbewegung, in der Linienführung von namhaften Filmarchitekten überaus
geschickt angelegt, deckte die umliegenden Industrieanlagen von Babelsberg und
Nowawes ab und ermöglichte einen freien Horizont. Mit Palmen bestückt,
gestattete er bei blauem Himmel Außenaufnahmen von tropischer Landschaft, mit
arrangierten Felsstücken diente er sogar zu Nahaufnahmen alpiner Tragödien. Er
ersparte kostspielige Reisen ins teure oder zur Zeit unzugängliche Ausland.
    Daher der Name Devisenhügel.
    »Mann, Pauly, verschaffen Sie mir
den Prunksarg. Gehen Sie aufs flache Land, Perleberg, Prenzlau, Neubrandenburg,
nach Jottwede, was weiß ich, aber kommen Sie mir nicht ohne Sarg.«
    »Is ja jut, Doktor, meene
Recherchen loofen ja schon«, meinte Pauly beruhigend. Er sprach das
französische Fremdwort buchstäblich aus.
2
    Drei Tage später. Im Atelier.
Lichtumbau zu einer komplizierten Kamerafahrt. Schienen für den Dolly werden
verlegt. Draußen ist es schon dunkel geworden. Im Radio des Aufnahmeleiters
läuft bereits das Kukkuk-Zeichen. Vorwarnung. Die ersten Einflüge in das
Reichsgebiet werden erwartet.
    »Doktor, ick hab eenen... jenau
den richtjen... prächtig, aber nich protzig. Wie für uns jeschreinert. Und viel
Buntmetall drum rum und so... Tolle Profile an die Kanten... So wat wird heute
jar nich mehr jemacht!«
    Pauly schob einen Kamerakoffer an
den Regiestuhl, setzte sich und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Natürlich meene Tochter, die Wilhelmine, hat ihn ausbaldowert. Is’n tüchtjet,
anständijet Meechen... schon drei Jahre mit ‘nem Assessor liniert.« Mit
Fremdworten, wie gesagt, siehe oben.
    »Na, dann ist also Schluß mit den
Ka-Ka-Kamalitäten, das heißt Kalamitäten.« Er wußte plötzlich selbst nicht mehr
wie es hieß und rief seinen Regieassistenten, der innerhalb dreißig Sekunden
ebenfalls unsicher wurde. Was zu einer längeren, aber durchaus

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