Das Filmbett
von seltsamer
Innigkeit, die in einem Fortissimo des Unflates endeten und vulgäre,
unverzauberte Äußerungen biologischer Gegebenheiten, die in einem
unbeschreiblichen Diminuendo ersterbender Lust verklangen.
Das Band war ein Kunstwerk. Denn —
Brigitte mußte es zugestehen — alle diese Frauen wurden in ihrem sinnlichen
Lustbegehren schöner, sie wuchsen, sie verklärten sich in ihren Bekundungen,
selbst wenn die obszönsten Reizworte fielen und gegenständliche Bemerkungen die
Situation recht naturalistisch erscheinen ließen. Sie hatte nie gewußt, daß
dieser biologische Vorgang auch schön, ja großartig sein konnte!
Sie war erregt — auf seltsame, nie
gekannte Weise erregt, und als sie das Band ein drittesmal abspielte und sich
nun ganz in die akustische Dimension hineinversetzte, in ihr aufging, wie sie
es in keinem Konzert vermocht hätte, geschah, was sie innerlich längst
aufgegeben und für ihre Person zumindest nicht für möglich gehalten hatte. Sie
erlebte die spasmenhafte Lösung ihrer ganzen weiblichen Emotionalität, den
beglückenden Krampf der Entkrampfung: sie hatte den ersten Orgasmus ihres
Lebens.
An diesem Abend hörte sie nicht
weiter. Sie packte mechanisch das Tonband weg, löschte das Licht und ging ins
Bett. Auf der Treppe des kleinen Eigenheimes wurde sie zwar kurzfristig wieder
praktische, materiell orientierte Hausfrau und dachte, daß das Tonband als
Langspielplatte zweifellos einen Bestseller ergäbe, wüßte man einen
einschlägigen Produzenten mit einer sekreten Vertriebsorganisation, aber sie
wischte diesen Gedanken beiseite und widmete sich einer weniger pragmatischen,
wirtschaftsbezogenen Nachdenklichkeit. Sie schlief gut und traumlos.
Überhaupt wäre es verkehrt
anzunehmen, daß unsere Brigitte Maria Meier-Eschwege nach diesem
außerordentlichen Hörerlebnis, und der damit verbundenen persönlichen und
höchst intimen Erfahrung, »eine andere« geworden wäre, daß es »ihr Leben
verändert« habe. Daß sie begann, sich koketter zu kleiden, die Männer um sie
herum anders, gieriger, neugieriger zu betrachten oder sie gar zu provozieren,
daß sie die berühmten Waffen der Frau lüstern gewetzt hätte und ähnliches mehr.
Alles dieses wäre unzutreffend. Ihr angeborener Gleichmut nahm wieder Besitz
von ihr, obwohl nicht zu leugnen ist, daß sie versuchte, den endlich, allzuspät
erlebten und selig erlittenen Orgasmus wiederholbar zu machen, indem sie,
anhand des Tonbandes seine physiologischen und psychologischen Voraussetzungen
zu ergründen und zu studieren begann.
Als sie eines Tages bei einer
mittleren Synchrongesellschaft das kleine Tonstudio Zwo verließ, nachdem sie in
kürzester Zeit etwa vierzig Sprachschleifen besprochen hatte und zur Kasse
wollte, um sich ihre Gage zu holen, traf sie auf ihren Aufnahmeleiter, der
etwas unsicher auf den Beinen schien, als käme er gerade aus der Kantine. Er
kam jedoch — einigermaßen angeregt — aus dem Nachbarstudio Eins.
»Ach, Frau Meier-Eschwege,
Kindchen, mein Kollege hier uff Numma Eens is mächtig im Druck... so’n Luda von
Sprecherin hat’n glatt vasetzt... die Schwesta ist ja notorisch unzuvalässig...
Woll’n Se ihm nich aus der Bredullje helfen?« Er faßte sie mit beiden Händen an
der Schulter. »Wie ick Dir kenne, Meechen, sitzt’te mit deiner Joldstimme jenau
druff, uf der doofen Zicke da drin! — Alladings — ick weeß nicht so recht...«
die Arme fielen wieder von ihrer Schulter — »is ja man keene hehre Kunst, wat
die da drin machen — ehrlich, ‘s is Schweinkram, Porno un so... Aba wat soll’s
denn, schließlich sin wa erwachsen, Meechen, un wiss’n wat los is... Ihre Gören
sin ooch nich von nischt jekommen, wa? Un Jeld stinkt nich... Geh’n Se man rin
und Sachen Sie, icke hätt’ Se geschickt...«
Brigitte Maria sah auf ihre
Armbanduhr. Sie hatte noch Zeit, um ihre Sprößlinge aus dem Kindergarten zu
holen.
Sie ging in das Studio Eins, in
dem einige wenige Leute etwas ratlos herumsaßen, stellte sich vor und bat ohne
Umschweife, ihr den ersten Take zu zeigen. Der Projektor lief an. Was sie zu
sehen bekam, war ihr zwar neu, aber sie hatte genug von solchen Szenen gehört
und gelesen. Da turnte ein leidlich hübscher Teenager nackt mit einem
gleichfalls nackten Jungen im Bett herum und es entspann sich ein unsägliches
Gerangel, bei dem man einen Beischlaf schlecht und recht fingierte, wie das so
überaus klischeehaft und einfallslos geübt wurde. Dieses Gefummle und
Getatsche, dieser
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