Das Filmbett
Bomber?«
»Nee doch — den Sarch, den
Sarkophag. Dat olle Fräulein jibt ihn her, leihweise, verlangt nich mal Pinke.
Hat nur Bammel, dat er beschädicht wird. Ick hab’ ihr jesacht, dat wir ihn in
Watte packn tun. Aber sie hat mächtich anjejeben und Bedingungen gestellt. War
zuerst jar nicht entzückt. Ick mußte toll mit ihr palavern. Dann wollt’ se
partout wissen, wer in dem Sarch liejen würde — bei der Aufbahrung nämlich. Als
ich sachte, et wär der George, da war det Eis jebrochen. Den hätt’se schon
immer jerne jesehen. Et wär’ ihr eine Ehre, ihm ihren Platz einzuräumen, sachte
sie janz ernsthaft. Et war direkt makabäer. Und denn wollte sie unbedingt bei
die Uffnahmen dabei sein. Sie könnte ja krank feiern in ihrem Büro. Ick hab’
Ihr Einverständnis vorausjesetzt, Doktor, anners hätt ick ihn nicht jekriegt.
Sie will janz sticke dabei sitzn und keen Mucks tun. Ick hab’ ihr erzählt, wie
wir det inszenieren. Mit ville Kerzn und Kandelaber, verhängte Spiegel und
Fenster und so. Det machte Eindruck. Bei ihr würd’et sicher nicht so scheene
sin. Direkt neidisch wurde sie. Hier, det Foto von dem Sarch hab ick ihr ooch
noch entrissen...« Es war ein prächtiger Sarg.
4
Große Mittelhalle. Der Salon des
verblichenen Gutsherrn war aufgebaut, wie es im vorletzten Jahr des totalen
Krieges kaum zu erwarten war. Späte Neugotik hatte Pauly gesagt. Viel dunkles
Holz, klobige Möbel mit dem ornamentalen Zierwerk gotischen Chorgestühles,
Panneele, die in gedrechselten Kreuz- und Rosettenmustern ausliefen, dunkle
Vorhänge mit Holzringen an dicken Querstangen. In der Mitte des düsteren Saales
gespenstig im Flackerlicht der schweren, kunstvoll verzierten Wachskerzen — weiß
der Teufel, wo Pauly diese Dinger aufgetrieben hatte — , der offene Sarkophag,
der sich überaus dekorativ ausnahm. Die brennenden Meisterwerke der
Wachszieherkunst weinten schwere Tränen der Trauer, die an den dicken
Kerzenschäften zu tropfsteinähnlichen Gebilden erstarrten.
George war rülpsend und fluchend im
Frack mit Ordenskette in den Sarkophag geklettert, dank der massiven
Unterstützung durch zwei Garderober, hatte sich genüßlich darin ausgestreckt,
die Augen geschlossen. »Jottseidank, eenmal kein Dialog, schööön!«, berlinerte
er. Masken- und Kostümbildnerin machten an ihm herum, arrangierten die
Frackkrawatte neu, legten die Orden ordentlich auf seiner Brust aus und zupften
an seiner weißen Weste. Die Leichenblässe wurde sorgfältig nachgeschminkt, der
Schnurrbart gebürstet. Er ließ alles an sich geschehen und rührte sich nicht.
Den ganzen Drehtag lang machte es dem Urkomödianten Freude, einen Toten zu
spielen. Er kletterte nur aus dem Sarg, wenn seine schwache Blase es ihm
befahl. Und natürlich, die Mittagspause veranlaßte ihn, eine weltlichere Welt
aufzusuchen: den Prominentenraum der Ufa-Kantine.
Es war eine große Szene, die man
da drehte. Der zum Stadtmenschen gewordene Sohn, aus dem Bannkreis
stockkonservativer Agrarier in intellektuelleres Gelände »desertiert«, wie der
Alte es getadelt hatte, hält bei seinem Vater die Totenwache und Gerichtstag
mit ihm — und mit sich selbst. Eine starke monologische Auseinandersetzung mit
stillen Passagen und eindrucksvollen Ausbrüchen.
Die Aufnahmen — lange Einstellung
mit Fahrten und Schwenks, die den hadernden Sohn durch den großen Raum führten,
dessen Zentrum der Sarg mit dem verblichenen Gutsherrn und Vater blieb,
kosteten Zeit. Aber niemand verlor die Geduld, weder der Regisseur, der
Darsteller des Sohnes, noch die Techniker oder die Polenmädchen an den
Scheinwerfern. Auch die renitenteste von ihnen schien ihre Grämlichkeit
vergessen zu haben. George schnarchte in seinem Sarg so leise, daß der
Tonmeister keine Schwierigkeiten hatte. Ein ruhiger aber anstrengender und
erfolgreicher Arbeitstag.
5
Im Regiestuhl — ehrenhalber! — saß
Fräulein Mathilde Buchsbaum. Sie störte wahrlich nicht — obwohl sie ohne
Unterlaß still vor sich hinweinte. Sie trug ein Kapotthütchen mit schwarzem
Trauerschleier, ein schwarzes Kleid und die schwarzen Schuhe einer
Krankenschwester, und es wäre lächerlich gewesen, wenn sie nicht soviel Rührung
ausgestrahlt hätte, die sich jede mokante Bemerkung verbat.
Schwer zu sagen, was sie mehr
anrührte, was sie letztlich so bewegte. Sentimentalität, das heißt, unpräzises
Gefühlswallen oder echte Ergriffenheit, ein verschrobenes Selbstmitleid,
entstanden durch die Projektion der eigenen Person auf
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