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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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soll das Kind den Ruhm auf sich häufen, den sie nie erworben haben... im Strahlenglanz der Scheinwerfer stehen und so... Ist
Ihnen nie aufgefallen, daß Kinderstars nie einen Künstlernamen haben, immer den
ihrer Mutter oder ihres Vaters... Hören Sie die Nachtigall trapsen? Fragen Sie
mal die Mutter von so ‘nem Wunderkind. Ist eine brave Hausfrau und meist ganz
bürgerlich. Aber kratzen Sie an ihr, dann kommt heraus, daß sie mal
Schauspielerin werden wollte oder Sängerin, daß es dann nicht geklappt hat,
weil die Eltern dagegen waren... oder sie war sogar Soubrette in Posemuckel und
hat zu früh den Metzger des Ortes geheiratet... Oder sie hat als Kind
Ballettunterricht genossen — da ist übrigens nichts zu »genießen« bei der
Schinderei — ich hab’s an den eigenen Knochen erlebt — , aber dann hat sie sich
das Hüftgelenk gebrochen, oder sie wurde zu fett oder zu groß, und aus war der
Traum von der Primaballerina assoluta, und statt dem Sterbenden Schwan hätte
sie mehr die sterbende Bleiente tanzen können... hihihi, nein, was ich sagen
wollte... Setzen Sie mal das Leben fort, das gar nicht gelebt wurde, leben Sie
mal das Scheinleben, die Illusion eines anderen... leben Sie mal häuslich in
einem Traumschloß, das Sie sich nicht selber, sondern ihre Mutter gebaut hat.
Das ist das Problem, das Propplem hätte Tucholsky gesagt... Ja also.
    Meine Mutter war gelernte
Friseuse, Maniküre, Kosmetikerin, arbeitete im Laden, ging auch mal zu
vornehmeren Herren in die Häuser... Irgendwann hat sie mich da eingefangen. Ich
bin nämlich ein Kind der Sünde, müssen Sie wissen, Doktorchen. Und wie’s im
Kriege so war, Abtreibung ging nicht, die Nazis waren da mächtig scharf drauf,
daß dem Adolf kein zukünftiger Soldat oder ein gebärfreudiges Mädchen den Abort
hinunterging... So kriegte sie mich eben...
    Sie hatte den Fimmel für Theater
und Film und so... Hat es aber nie geschafft auch nur irgendwo anzufangen.
Nicht mal zur Maskenbildnerin hat es gereicht. Aber alle Filmmagazine hat sie
auswendig gelernt, wußte genau wer wo was. Wer mit wem und zwischen wem es aus
war und wo sich was anspinnt oder tut. Na, Film war damals ja noch ‘ne Sache...
die Siebente Weltmacht, die Zehnte Muse und so. Is heut alles nicht mehr... Und
so fing sie mit mir an, mit Werbung zuerst, dann suchte ‘ne Firma ein
geeignetes Filmkind, der Spot gefiel einem Produzenten und dann marschierten
wir an, ich an der Hand der Mama, beide picobello ausstaffiert. Ich gab dem
Mann mit der Zigarre meine Pfote, machte den Knicks, den man mir eingebleut
hatte. ‘s war alles ganz harmlos. Wissen Sie, Doktor, die Filmleute haben ‘nen
mächtigen Bammel vor Minderjährigen. Da sind sie richtig gehemmt. Jungfrauen
schon sind gar nicht gefragt, aber Minderjährige — die Pfoten weg davon! Der
Skandal lohnt einfach nicht. Da brauchte es gar kein Gewerbeaufsichts- oder
Jugendamt — höchstens wegen der Arbeitszeit. Das mag bei einer Schule ganz
anders sein, mit ‘nem introvertierten Lehrer oder einem verkorksten Pädagogen...
So ein Kind wandelt durchs Atelier — Schutzengel sind überall. Auf den
Beleuchtungsbrücken, in der Dekoration, in den Korridoren und Garderoben,
überall ein Heer von sichtbaren Schutzengeln. Da wird man in Watte gepackt, mit
Handschuhen angefaßt, auf dem silbernen Teller serviert, die im Skript
vorgesehenen blauen Flecke oder den Dreck an der Wange schminken dir Künstler
sorgfältig an, keiner packt fest zu. Selbst die übliche Zoterei hört auf, wenn
du durchs Atelier trippelst. Was man so mitkriegt ist die mittlere
Umgangssprache. Da geht’s in der Schule und auf der Straße ganz anders zu. Und
der größte Schweinigel der Crew wedelt unsichtbar mit Palmenzweigen, wenn du
erscheinst — das können Sie mir glauben, Doktorchen!
    Ich war also recht behütet — mehr
als in einem Hinterhof, wenn die Nachbargören Stinkefinger spielen oder Onkel
Doktor. Und das ausgerechnet beim bösen Film, diesem sexuellen
Dienstleistungsgewerbe, wie es ein Eierkopf mal genannt hat. Und daß man die
Beine spreizen muß, um zum Film zu kommen oder, wie es in Hollywood hieß,
Karriere mit den Knien hinter den Ohren zu machen, davon wußte ich nichts und
spürte nichts. Da gab es nur gute Onkel und liebe Tanten. Der Knopf ging mir
erst später auf. Als unterernährtes Nachkriegskind hatte ich angefangen mit
Augen so groß wie Volkswagenscheinwerfer. Inzwischen war ich neun oder zehn
Jahre geworden, hatte lange, schlaksige Beine,

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