Das Filmbett
meiner Mutter Geschäfte zu
besprechen und sie zogen ab. Verschnupft senkte ich mich über das
Kreuzworträtsel der Boulevardzeitung. Da kam ein Paar, das sich hinter dem
Garderobenständer an einem Tisch niederließ. Die beiden mußten meiner Mutter
und dem Kniich begegnet sein, denn sie sprachen von ihr — ohne mich zu
bemerken. Ein grauhaariger Dramaturg noch aus Frau Ufas seligen Zeiten und eine
der ersten Fernsehansagerinnen, die — vor der Mattscheibe früh verwelkt — jetzt
im Besetzungsbüro des Senders arbeitete.
»Na klar, die hat doch seit Jahren
die Karriere der Kleinen zusammengebumst. Die ließ doch keinen aus. Keinen
Produzenten, Regisseur oder Aufnahmeleiter, wenn es nur half, die Laufbahn der
Kleinen zu sichern. Die vögelte sich doch für sie durch alle Betten der
Produzenten und Direktoren. Jetzt ist der Knabe vom anderen Programm dran.
Klar, die Serie!« — »Brachte die das ›Judith-Opfer‹ wirklich für die Karriere
des Kindes oder weil sie selbst Spaß daran hatte, mit dem Alibi der selbstlosen
Mutterliebe oder ist sie eine ausgepichte Nutte?« — »Weder noch oder Ja und
Nein... ich glaube gar nicht, daß das bei der so einfach ist... der Fall
beschäftigt mich seit Jahren... Ich halte sie bei all ihrer blonden
Hochtoupiertheit weder für eine harte Geschäftsfrau noch bei ihrer Mutterliebe
für eine verkappte Romantikerin. Ich glaube, sie liebt ihre Tochter, aber sie
liebt sich in ihr, sie lebt das Leben des Kindes in aller Konsequenz weiter,
als wäre es ihr eigenes. Sie spielt den lasterhaften ehrgeizigen glamourösen
Star, wie sie ihn aus Hollywoodromanen kennt, aus der Sexualkolportage der
Groschenhefte, in denen die Schauspielerin wenn sie es zu etwas bringen will,
über die Matratzen muß. Sie lebt das Leben des Stars in der Prosmiskuität mit
den Mächtigen der Branche. Kein ganz klarer Fall, ich möchte sagen, schon ein
bißchen psychopathisch...«
Aus dem Kantinenlautsprecher
schallte es verzerrt: »Frl. Petra ins Studio, Frl. Petra ins Studio, bitte!«
Ich verdrückte mich, ohne von den beiden gesehen zu werden. Ich war wie in
Trance. Ich ging ins Studio über den kleinen Umweg des Korridors, in dem
Produktion und Stab ihre Räume hatten. Vor dem Zimmer des Redakteurs blieb ich
stehen, horchte und während es durch den Korridor hallte: »Frl. Petra ins
Studio. Frl. Petra ins Studio!« drückte ich die Klinke und sah meine Mutter...
Das Bild war eindeutig. Meine Mutter stand an der leeren Wand des Zimmers mit
gegrätschten Beinen. Mit den Händen hielt sie den Rock hoch bis an den nackten
Busen. Die Strumpfhosen hatte sie über die auseinanderklaffenden Knie
heruntergestreift. Der Redakteur stieß sie immer wieder mit den Hüften gegen
die Wand, der nackte Po meiner Mutter klatschte gegen den Putz und es klang,
als bearbeite man Kalbfleisch mit dem Schlögel. Ich machte die Tür wieder leise
zu, ging in den Schminkraum und ließ mich herrichten.
Ich kann nicht sagen, daß ich
schockiert war — eher fasziniert. Aber erwischen Sie mal ihre Mutter, wenn sie
sich bumsen läßt. Es ist so, als ob man in Eis einbricht. Ich hatte keine
romantischen Vorstellungen von der Schönheit der sexuellen Leidenschaften. Aber
merkwürdig war es schon, was da auf mich einwirkte. Einerseits machte es mich
richtig geil, andererseits hatte ich ‘ne Stinkwut, wenn Sie wissen, was ich
meine...
Glauben Sie mir, meine
Empfindungen waren ambi — ambi — wie sagt man da? ambivalent — ist das richtig?
Ein brodelnder Römertopf — aber bei mir lief nischt über. Keinesfalls war ich
sittlich entrüstet — nicht die Bohne. Auch nicht empört. Wie sollte ich auch.
Das Verhältnis zu meiner Mutter blieb wie gehabt — aber wie’s da drin aussah...
nö, lachen Sie nicht... italienischer Salat. Da ging alles durcheinander. Hatte
sich meine Mutter geopfert — oder war sie Nutznießerin? Wollte sie »mit von der
Partie sein« oder machte es ihr nur Spaß. War ich in ihrer Schuld oder gab ich
ihr eigentlich gewünschte Gelegenheiten. Sollte ich ihr dankbar sein? Für was
eigentlich? Daß sie für mich in Scheidemünze bezahlte — und hinhielt? Daß sie
es war, die meine Karriere ervögelt hatte? War sie eine Heilige oder eine Hure?
Wollte sie ihr Kind beschützen vor den gebräuchlichen Fatalitäten eines
Frauenberufes oder nahm sie einfach für sich selbst billige Chancen wahr?
Können Sie sich vorstellen, was da in mir am Kochen war? Aber schließlich
blieben zwei Dinge übrig, die sich einfraßen.
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