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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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kein Gramm Kinderspeck und in
der Bluse begann sich was zu tun — das Kaulquappenstadium hatte ich hinter mir
und ich galt — was ich so hintenrum hörte — als vielversprechend. Mein armes
Skelett von früher war trotz der Hungerödeme nicht rachitisch geworden.
    Meine Mutter war sehr hübsch — hübscher
als ich es je geworden bin. Hübsch mit dem leichten Stich von Kellerkind,
dieser Prise von Ordinärheit, die auf Männer wirkt wie Baldrian auf Kater. Sie
war hübsch und eine sehr, sehr junge Mutter. Und dann: Wer gewohnt ist,
eingebildeten Zimtzicken Gesichtscreme, Nagellack, Haarspray und Shampoons zu
verkaufen, wer älteren Herren die Flossen so zu maniküren weiß, daß sie meinen,
einen Sexualakt ersatzweise zu erleben, so daß man ihnen teure Rasierwässerchen
andrehen kann, muß tüchtig sein, man lernt zu verkaufen mit dem leichten Touch
von Verruchtheit... wenn Sie wissen, was ich meine, Doktorchen... Meine Mutter
war sehr hübsch und sehr tüchtig. Sie machte meine Verträge, machte das ganze
Management und sorgte, daß ich im Geschäft blieb. Allein, ganz allein! Wenn ich
dem Produzenten oder dem Regisseur vorgeführt worden war, kam sie in Fahrt und
war in ihrem Element. Dann mußte ich aus dem Chefzimmer raus und wartete bei
den Tippsen im Büro. Da konnte ich Fotoalben ansehen, die Starphotos, die
Filmplakate an den Wänden studieren, und es fiel mir nicht auf, wenn sich die
Verhandlungen länger hinzogen, daß die Vorzimmerdamen — frisch gebobbt und
gelackt wie Filmdiven — immer saurer wurden. Wenn meine Mutter schließlich
wieder aufkreuzte war sie entweder sehr aufgekratzt, weil sie — wie ich glaubte
— den Filmfritzen tüchtig eingeseift hatte, dann zupfte sie nervös an sich
herum: »Gott, wie seh’ ich nur wieder aus!« worauf die Bürodamen völlig
vereisten, oder sie kam mit einem perfekten Make-up, wie aus dem Ei gepellt,
heraus, als wäre sie direkt von ihrer Frisiertoilette aufgestanden, respektvoll
mit einem Handkuß verabschiedet vom Boß. Ich hatte keine Ahnung, was um mich
herum passierte.
    Ich war bald kein Kind mehr und
spielte weiter Kinderrollen. Ich war keine doofe Nuß, das können Sie mir
glauben, ich hatte einige Ahnung von Tuten und Blasen, war keine Zimperliese — wie
sollte ich auch — . Aber ich ging durch das rote Meer wie die Juden, ohne mir
die Füße naßzumachen, geschweige denn anderes. Hihihi! Nun, das ging so die
ganzen Jahre meiner sogenannten Kinderkarriere. Besonnte Jugend fürwahr, nur
daß die Sonnen Scheinwerfer waren.
    Dafür kam aber die Krise nachher
knüppeldick. Es traf einfach alles zusammen. Ich stolperte von einem Dilemma in
das andere. Ich war eine Sechzehnjährige, spielte die Zwölfjährige und hatte
die Mentalität einer Zwanzigjährigen. Spielen Sie mal das Kind, wenn Sie die
Regel haben. Dazu kam die Filmpleite und der schwierige Übergang vom Film zum
Fernsehen. Aber das schaffte meine Mutter schon. Viel schwieriger war der
Übergang von einem Fach ins andere. Die Kinderdarstellerin war passé, aber den
forsch-kessen Teenager der neuen Generation, wie sollte man den dem süßen Kind,
der lieben Unschuld, dem niedlichen Backfisch abnehmen. Würde mein Oma-Publikum
das neue Image verkraften? Denn ich wurde zweifellos geschlechtsreif. Ich
begann — wie sagt man — zu erwachen. Ich gehörte zwar nicht zu den Mädchen, die
sich bumsen lassen um ihre Gesichtspickel loszuwerden oder um mir meine
Attraktivität bestätigen zu lassen. Aber immerhin blieben die Fingerchen beim
Einschlafen nicht mehr ruhig. Woody Allan hat, glaube ich, mal gesagt,
Masturbation sei Geschlechtsverkehr mit einer geliebten Person. Gut, was?!
    Meine Mutter hatte für mich eine
saftige Fernsehserie ergattert, warmer Regen in der Dürre der
Unterhaltungsindustrie. Endgültiger Schluß mit den fruits verts, dem grünen
Gemüse, dem süßen Früchtchen und so. Ich mußte mich in meinem neuen Rollenfach
bewähren, dem modernen kessen Jungmädchentyp, schnoddrig, cool, illusionslos,
zynisch, na Sie wissen schon...
    Wir saßen in der Kantine, der
verantwortliche Redakteur des Senders, meine Mutter und ich. Er gefiel mir.
Gefiel mir sehr. Zwar ein bißchen arrogant, wie jemand, der Komplexe
kompensieren muß. Enttäuschung über ein frühes Versagen beim Theater oder Film.
Schuldgefühle, weil er beim Fernsehen gelandet war. So was gab’s ja am Anfang,
als man noch auf die »Telewischn« herabsah.
    Ich versuchte, seine
Aufmerksamkeit zu erregen. Aber er hatte mit

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