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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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politischer Leidenschaft gespielt wurde und Irene stellte
erstaunt fest, daß die Griechen ein Volk waren, das das Leben am stärksten
genoß, wenn es am gefährdetsten war.
    Da wurden Kleiderkoffer, versehen
mit dem internationalen Hinweis »Artistengepäck«, mit Waffen vollgepackt und
der Inhalt »Waffen« außen deutlich bekundet, nach der klugen Maxime Edgar Allen
Poes, daß das, was offen zu Tage liegt, nichts Geheimes oder Verbotenes sein
könne; außerdem hatten die Fahrer der deutschen Lastwagen schließlich die
Waffentänze der Folkloretruppe gesehen. Da wurden in Wäschekörben die
Brustschalen der Büstenhalter diverser Girlkostüme mit Handgranaten gefüllt. Da
mußte man einmal gleich sechs Männer, drei Tänzer und drei technische
Hilfskräfte auf einer entlegenen Insel zurücklassen, weil sie angeblich eine
rätselhafte Fischvergiftung hatten. Die Zurückgebliebenen fanden am Ort Helfer,
die sie weiterleiteten — allerdings in südlichere Richtung. Man stieß bis Kreta
vor, spielte dort ebenso erfolgreich Theater wie Menschen- und Waffenschmuggel.
Aber der verwegenste Coup war eine Darbietung vor dem Neptuntempel auf Cap
Sunion, wo die deutschen Girls und die Mädchen Helenas gemeinsam die erste
eigene Choreographie Irenes zur Darstellung brachten.
    Eine rhythmische Sportgymnastik
mit Bändern, Bällen und Stäben, die allgemein gefiel. Am besten allerdings den
britischen Marinesoldaten eines U-Bootes in der Ägäis, die die
gymnischtänzerischen Bewegungen der Mädchen durch ein Periskop beobachteten und
nach einem neuen Code dechiffrierten. Am Abend blieben einige Männer Helenas in
Sunion zurück, weil sie randvoll betrunken waren. Sie wurden in der Nacht von
einem britischen Schlauchboot völlig nüchtern abgeholt und an Bord des U-Bootes
genommen. Einer davon, ein ohnedies recht ungeschickter Hilfsbeleuchter, machte
später eine bemerkenswerte politische Karriere.
    Die tolldreiste Erfindungsgabe der
beiden »Agentinnen« war erstaunlich. Aber die Hilfe der im Hintergrund
stehenden Geheimorganisation darf dabei nicht unterschätzt werden. Es mußten
viele Fäden zusammenlaufen, bevor Helena und Irene tätig werden konnten. Viele
Operationen glichen einem Filmgag, waren aber weniger einfältig als solche der
späteren CIA. Manche hatten die kriminelle Energie, die man später bei den
Mädchen der RAF feststellen konnte.
    So gefährlich diese Machenschaften
waren — über allem lag die Heiterkeit des Spiels. Der Tourneeleiter fühlte sich
im heidnischen, moralfreieren Hellas zwar wohl, mußte aber von seinem hübschen
Knaben zärtlich betreut werden, wenn ihm die äußerst prekäre Situation, in die
man ihn gepreßt hatte, allzu klar wurde. Soubrette, Salondame und die auf
Haltung bedachte Vertreterin des älteren Faches fanden ihre griechischen
Kavaliere bezaubernd, galant und höflich.
    Aber das Bedauern war meist kurz,
wenn solche glückhaften ›liaisons dangereux‹ oft ihr unerwartet rasches Ende
fanden. Denn die erstaunliche Helena hatte bereits wieder für Nachschub
gesorgt. Sie brachte immer wieder neue begabte Mitglieder für ihre Truppe
zusammen aus allen Gegenden und Windrichtungen des Landes. »Von gleicher
Qualität«, meinte die Salondame. »In jeder Beziehung«, vollendete die
Soubrette. Die alte Dame seufzte nur.
    Das Ensemble wurde schließlich
infolge der veränderten militärischen Gesamtlage aufgelöst. Solisten und Girls
gingen nach Deutschland zurück. Die meisten waren Statisten in einem Spiel
geblieben, dessen Handlung sie nicht kannten. Unter den anderen fand sich kein
einziger Verräter. Und so kann der Erzähler auch nicht mit einem dramatischen
Count down aufwarten. Die Theatertruppe bestand längst nicht mehr, als die
Wehrmacht ihren legendären Rückzug aus Griechenland durch das in hellem Aufruhr
befindliche Jugoslawien, durch die unklaren, von allen Seiten umkämpften
Grenzgebiete der abgefallenen Bundesgenossen Rumänien und Bulgarien antrat, und
sich vor allem durch das vom Bruderkrieg völlig verunsicherte Nordgriechenland
durchschlug: eine Anabasis des zwanzigsten Jahrhunderts.
    Nur der Tourneeleiter blieb — eine
Hepatitis vorschützend und von der griechischen Widerstandsorganisation für
seine Verdienste um die Freiheitsbewegung der vollen Immunität versichert — in
Athen zurück. Er wurde Manager der wie eine Nova aufbrechenden Operndiva, von
der nur noch zu vermerken ist, daß Helena nicht ihr Künstlername, sondern ihr
›nome du guerre‹ war. Ihr

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