Das Filmbett
so
entzückt sein mußte, als hätte ihr Herr Schmidt das Bundesverdienstkreuz
persönlich überreicht, und wurde schließlich Mannequin in einem Discountladen
für Damenkonfektion der reiferen Jahre und der Übergrößen.
Damit war sie auf der anderen
Seite der Erfolgsleiter wieder dort angekommen, wo sie einst gestartet war.
Sie zog sich zuletzt in eine
kleine Apartmentwohnung zurück, in der sie sich zum Zeitvertreib dem Nähen von
Sofakissen hingab.
Beruflich war sie nur noch
halbtags tätig. Dann, wenn spezifische Liebhaber sich auf Annoncen meldeten, in
denen sie mit der Chiffre »M + S« ihre Vertrautheit mit bestimmten Geräten und
Requisiten inseriert hatte. Sie zeigte sich den Herren dann in einer
strammsitzenden Lederuniform, die immer noch verriet, welch schönen Körper sie
gehabt haben mußte. Diese Spezialisierung war schließlich — wie sie meinte — die
bequemste Art, das zu sein, was zu sein sie schon immer von sich
behauptet hatte.
Die Petomanin
Sie hatte viele Namen. Ihre
Hautfarbe war mahagonibraun. Sie verfügte über eine meisterlich modellierte,
zierliche Figur, schlanke, elegante Beine, gerundete, aber nicht allzu füllige
Schenkel mit einem erregenden Schenkelschluß, einen flachen, sanft gewölbten
Bauch, der sich in einem freundlichen Bogen dem Delta zuneigte: einem
Venusberg, der, wie ein zynischer Liebhaber behauptete, dem Idiotenhügel von
Kitzbühel ähnelte und der in einem Unterholz von schwarzen Schamhaaren auslief.
Die schlanke Taille, die sich nach oben wie ein Kelch öffnete, die beiden
makellosen Halbkugeln von Brüsten, die wie zwei Kastanien glänzten, die lange
genug in den Hosentaschen von Straßenjungen poliert worden waren: zwei
Wunderwerke göttlicher Drechslerhände, deren spitze Brustknospen wie ein accent
d’aigue auf ihre vollendete Rundung gesetzt waren. Über schönen Schultern der
hübsche Kopf mit der Fülle herabfallender Haarwellen, die die Vorstellung von
krausem Afrolook in den Bereich der Fabel verwies. Ein Gesicht, das man als
schön bezeichnen konnte, wenn es nicht durch die nachdenklichen Augen, die
blitzschnell spöttische Keckheit und Humor zu zeigen verstanden, ein
charaktervolles Antlitz hätte genannt werden müssen.
Abgesehen von dem Reiz ihrer
körperlichen Erscheinung, dem Zauber ihrer schamlosen Naivität oder naiven
Schamlosigkeit war es der spontane Wechsel von Melancholie und munterer, schalkhafter
Gewitztheit, von animalischer Gelassenheit und heiterem, lebenslustigem
Temperament, der ihre Persönlichkeit so eindrucksvoll widersprüchlich prägte.
Dem Taufregister nach hieß sie
Armande Desiré Donadieu Marie Galante, weil sie auf einer dieser zauberhaften
Antilleninseln »unter dem Winde« geboren worden war (was sie später auch witzig
im Doppelsinne zu betonen pflegte), aber in einem Slumdorf westlich von Cap Haitien,
an der Straße nach Gormier, aufgewachsen war, wohin ihre Eltern nach ihrer Geburt
aus welchen Gründen auch immer auswanderten.
Hier, im starrenden Schmutz — aber
nach haitianischer Art in stets sauberen, reinweißen Kleidchen groß geworden,
eignete sie sich und ihrer Schönheit ganz die kapriziöse französische Negritude
der Karibikinsel an, die so sehr im Gegensatz zu der spaniolischen Würde der
Kubanerin steht und in der das Lachen mit einem schönen Mund voll schneeweißer
Zähne die eingeborene Neigung zur Fröhlichkeit zeigt, die Lust am
unproblematischen Leben — auch wenn »la vie« meist alles andere als »belle«
ist.
Diese haitianische Heiterkeit, die
die Menschen stärker beherrscht als alle blutigen Diktaturen, Besetzungen,
Ausbeutungen und Korruptionen, die so ansteckend wirkt, als sei die karibische
Luft der Insel statt mit Sauerstoff mit Lachgas durchtränkt, diese Heiterkeit,
verbunden mit der appetitlichen Sauberkeit, die in diesem dreckstarrenden
Ambiente immer wie ein Wunder anmutet, denunziert Begriffe wie »stinkender
Nigger« zu Auswüchsen eines schmutzigen Rassismus.
Gegen die aseptischen, sterilen
Gepflogenheiten antibiotischer amerikanischer Körperhygiene, die
Amerikanerinnen oft als desinfizierte Kleiderpuppen erscheinen läßt, ist die
Sauberkeit der Haitianerinnen eine erdhafte, lebensvolle Reinlichkeit.
Dies war zu betonen, wenn die
nachfolgend erzählten Seltsamkeiten richtig verstanden werden sollen.
Marie Galante hatte — wie es in
diesen geographischen Breiten am Wendekreis des Krebses naturgemäß ist — von
früher Jugend an einen gesunden sexuellen Appetit. Sie war
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