Das Filmbett
Selim, den gefährlichen Monostatos wie den würdevollen Herrn
Sarastro, und hatte bald sowohl den Serail, in den sie entführt werden wollte,
wie die Heiligen Hallen, in die sie einzutreten beabsichtigte, fest in ihrer
Hand.
Ihr logistischer Plan war
bemerkenswert und soll nicht verschwiegen werden. Er war wie die
kriegsphilosophischen Maximen des Freiherrn von Clausewitz klar, transparent
und preußisch-kartesianisch. Er gipfelte in dem Satz, daß der Coitus die
Fortsetzung der Karriere mit anderen Mitteln ist. Doch wollen wir, bevor wir
uns mit den Grundlagen ihrer Taktik beschäftigen, ihren Sieg vermelden. Sie kam
natürlich ins Programm — wenn auch zu später Sendestunde, bei der die
Fernsehgewaltigen sicher waren, daß nicht nur ihre Kinder, sondern auch ihre
ermüdeten Ehefrauen das Bett aufgesucht hatten. Dieser kluge Entschluß erfüllte
einen doppelten Zweck. Die heranwachsende Jugend wurde sittlich geschützt und
ihre moralische Gefährdung weiterhin der Straße überlassen, und man ersparte
sich unter Umständen unliebsame Debatten mit argwöhnisch gewordenen Ehefrauen.
Swantje ging bei ihren Operationen
nach Grundsätzen vor, die sie ihrer Erfahrung verdankte. Die durchaus wichtigen
niederen Chargen wurden mit der Kumpelmethode absolviert. Dies
bedeutete, die sexuelle Contrahage kameradschaftlich, ganz nebenbei, als
Abfallprodukt freundschaftlicher Herzlichkeit und burschikoser Sympathie
herunterzuspielen, als besage sie weiter nichts. Sie blähte das männliche
Selbstwertgefühl nicht übermäßig auf, hielt es auf Sparflamme, ohne es zu
ersticken, und das Scharmützel war leichthin wieder abzubrechen, wenn es seinen
praktischen Zweck erfüllt hatte. Für die postpubertären jungen Redakteure und
Abteilungsleiter in bedrängter Seelenlage empfahl sich die Pflegeschwestermethode: das verständnisvolle Eingehen auf ihre sexuellen Verklemmungen und
Potenzschwierigkeiten, die mitleidenden Versuche, sie hingebungsvoll zu
beheben, die aber nicht dazu führen durften, daß die männlichen
Minderwertigkeitskomplexe endgültig abreagiert wurden. Denn sie boten später
die besten Ansatzpunkte für den erwünschten Rückzug der Betroffenen von der
kämpfenden Front auf vorbereitete Stellungen in der häuslichen Etappe. Gleich
gewissenlosen Ärzten reicher Patienten mußte man vorgeben, das Übel zu heilen,
während man es klug existent erhielt.
Bei den Herren der oberen
Dienstränge war die Barfrauenmethode am Platz. Das Schlachtfeld für sie
waren Luxusrestaurants mit empfohlener Haute Cuisine und ledergebundenen
Speisekarten im Format von Telefonbüchern. Als Kampfuniform eigneten sich
hochgeschlitzte Abendkleider mit tiefen Dekolletes. Während der exquisiten
Speisenfolge, die der Herr natürlich auf Geschäftsspesen buchte, kam es darauf
an, durch geschicktes Hinlenken der Konversation auf die intimen Lebens- und
Berufsumstände sich unversehens in die Situation einer Beichtfrau zu versetzen
und die Seelsorge eines havarierten Männerherzens zu übernehmen. Etwaige
sexuelle Erwartungshaltungen fielen dann in kürzester Zeit zu heulendem Elend
über ein verkorkstes Dasein zusammen. Gelegentlich ergaben sich aus dem
zwanghaften Beichtbegehren der berufsgestreßten Funk-Funktionäre Informationen
und Eingeständnisse, die sich trefflich dazu eigneten, einen leichten Druck — beileibe
keine Erpressungen — auszuüben.
Die Hohe-Frau-Methode wandte man hingegen am besten bei Inhabern der Chefetagen an, jenen Herren, die
Hof hielten und Hof machten, galant, aber mit der heimlichen Angst, man würde
ihrem diskreten Drängen nachgeben. Diese Masche bediente sich der Stilformen
des weiblich intendierten Minnezeitalters. Sie reizten durch distanzierte
Haltung und verständnisinnig lockende Hinhaltung. Man äußerte die Verachtung
der wertfreien kommunen Sexualität, pries die Seelenfreundschaft, übte würdige
Verweigerung, die schmeichelte statt zu verletzen, und speiste das hungrige
männliche Selbstgefühl mit erotischen Desserts von leckeren Petitessen ab.
Übrig blieb blasses Erstaunen über die innere Qualität einer öffentlich sich so
fragwürdig gebenden Persönlichkeit.
Über allen diesen Praktiken stand
aber eine Präambel, die Swantje einem klugen Talententdecker der Showbranche
verdankte und die bei ihr Grundgesetzcharakter hatte: »Meechen, sei nich blöd,
schlaf mit wem du willst, aber nie mit dem obersten Chef, dem, der die ganze
Macht hat. Det is verlorene Liebesmüh, der kann dich irgendwann
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