Das Filmbett
und
Reputation der griechischen Hetäre und heute vielleicht noch mit Einschränkung
das gesellschaftliche Prestige der japanischen Geisha ausmachte. Sie
unterschied sich dadurch von der luxusverwöhnten Lebedame wie von dem einzig
profitorientierten Straßenmädchen oder der feilen Weibsperson, für die der
Beruf der Künstlerin, Sängerin oder Tänzerin lediglich als Deckmäntelchen und
Alibifunktion dient. Darbietung ihrer körperlichen Fähigkeiten und deren
Hingabe gingen bei ihr noch unverfälscht zusammen und fügten sich zu
ungebrochenem, konfliktlosem Naturell.
Ich könnte sie mir nicht als
Mätresse, als femme entretenue eines französischen Granden des Ancien régime
vorstellen, deren Hauptaufgabe es war, ihren adeligen Souteneur zu ruinieren,
eher schon im revolutionären Gesellschaftscercle des Bürgers Danton oder der
Madame Tallien, am besten aber am Hofe des genialen, jedoch dem Wahnsinn
ausgelieferten Negerkaisers Jean Christophe im Sanssouci am Fuße der
»Bischofsmütze«, dem Gebirgsstock am Cap Haitien, als Frau eines Marquis de
Marmelade, eines Duc de Limonade oder wie immer die Adelstitel dieses
sagenhaften Potentaten hießen. Aber sie war alles andere als ein neureicher
Parvenu, und deshalb denke ich sie mir lieber als munteres, immer lachendes Freudenmädchen
in dem Fackellicht verwinkelter Bordellgassen auf der benachbarten
Schildkröteninsel unter wilden Bukaniern, einäugigen Freibeutern mit der
Totenkopfflagge am Mast ihrer Fregatte, unter französischen Corsaren, den
verkrüppelten Veteranen gestrandeter Expeditionsheere, goldhungrigen
Schatzsuchern und ausgemergelten Aventuriers...
Staunenswerter als die
selbstverständliche Anmut ihrer Haltung, der natürliche Flair des Sichgebens,
war ihr Takt und Feingefühl, die Fähigkeit, sich guter Gesellschaft anzupassen.
Ohne angemaßte Arroganz und hurenhafte Präpotenz, mit nachtwandlerischer
Sicherheit verstand sie es, sich fremden Verhaltensformen einzufügen, ohne
dabei ihre eigene Wesenheit, die eines schönen Tieres, einzubüßen.
In der Feudalgesellschaft Haitis,
in den Familienclans bewegte sie sich — wie später im Jet-set des
amerikanischen Way of life oder in der Jeunesse d’orée von St. Tropezso
natürlich in den jeweils geltenden gesellschaftlichen Normen, wie die Töchter
wohlhabender kreolischer Familien, die das Savoir vivre in französischen oder
schweizer Mädcheninternaten gelernt hatten.
An den damals noch höchst sekreten
Sexparties, die das heutige permissive Sexualleben inzwischen offiziell
toleriert, beteiligte sie sich eher gleichgültig als begeistert und entzog sich
den immer obligater werdenden Minette-Orgien, ohne daß sie deswegen bei den
depravierten Teilnehmern dieser Gruppenvergnügungen Unwillen erregte. Denn man
wußte, daß sie bei den sensationellen Vorführungen, die stets der Höhepunkt solcher
Veranstaltungen waren, mit Darbietungen brillieren würde, die ihr, wenn auch im
sekreten Bereich, mehr Ruhm verschafft hatten, als ihre gewiß vorzügliche
Tanzkunst. Die erste der beiden spektakulären Attraktionen — so behauptete sie
glaubwürdig — habe sie am Anfang ihrer Karriere auf jener Barke im Hafen des
Cap von einer afrikanischen Hure gelernt, ein Kunststück, das weniger
abgeklappert war wie die berüchtigte »piece de quat’sous«, diese Paradenummer
der einstigen Nobelbordelle zur Zeit des alternden Prince of Wales, dem
nachmaligen Eduard VII., oder des genußfreudigen Lebe- und Geschäftsmannes
Leopold II. von Belgien — bei der eine Pensionärin des Hauses routiniert ein
Frankenstück mit ihren Schamlippen vom Tisch schnappte.
Unsere Marie Galante pflegte vor
solchen Gelegenheiten ein größere Menge aromatischer Flüssigkeit einzunehmen
(die der Ausscheidung Geschmack und Geruch entzog). Ihrer Körperbeherrschung
waren in der folgenden Séance keine Grenzen gesetzt. In angedeuteter
Hockstellung manipulierte sie nur mit Mittel- und Zeigefinger beider Hände so
geschickt an ihrem »Bijou«, daß sich aus ihr kunstvolle Wasserspiele ergossen,
die besonders im Gegenlicht höchst wirkungsvoll wurden. Fächer glitzernder
Perlen, sprühende Brausen, Gestäube wie aus Spraydosen, stoßweise kurze oder
lange Ergüsse in rhythmischem Wechsel. Sie konnte wie eine Lichtorgel eine
Musik illustrieren, die »Schöne blaue Donau« zum Beispiel oder »Sur le Pont d’Avignon«,
für die Amerikaner »Stars and Stripes«. Waren Deutsche anwesend, gab sie »Am
Brunnen vor dem Tore« noch als
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