Das Filmbett
betrachteten Sexbefriedigung
als natürliche und erstrebenswerte Sache. Sie besaßen auch voreinander keine
Scham, wie sie unter Familienmitgliedern oft an der Tagesordnung ist. Ja, sie
hatten es sogar einmal miteinander versucht und waren dabei — nach anfänglich
in Gekicher verkleideter Gehemmtheit — auch zu ihrem Vergnügen gekommen. Ein
Versuch, der nicht mehr wiederholt wurde.
Aber sie litten doch darunter, daß
sie ihre erotische Wirkung teilen mußten, daß ihr Sexappeal, auf eine Person
bezogen, sozusagen halbiert war.
»Ich komme mir vor«, sagte Ann
maulend, »wie ein Nachthemd beim Schlußverkauf. Mein Preis ist um die Hälfte
herabgesetzt...« — »Du taxierst dich noch viel zu hoch ein«, meinte trocken die
illusionslosere Margret. »Einzeln sind wir nicht mehr wert als ein linker
Schuh, dessen rechter verlorengegangen ist. Nur brauchbar für eine
beinamputierte Hure.«
Keine neidete der anderen ihren
jeweiligen Galan, ihre Gelegenheitslieben, ihre Abenteuer, zu denen ihnen ihre
harte Berufsarbeit nur wenig Möglichkeiten bot. Der Schwarm der einen war nicht
auch der Schwarm der anderen. Und Eifersucht gab es nicht. Nur die stete
Eifersucht der Artisten, ein Eindringling würde die Nummer zum Platzen bringen,
indem er einen Partner veranlaßte aus der Gruppe auszubrechen, sich in ein
Privatleben zurückzuziehen oder eine eigene Karriere zu versuchen.
Sie waren auch mit ihren Vorlieben
auf der erotischen Speisekarte äußerst verschieden, worüber sie sich längst
ausgesprochen hatten.
Nun geschah es eines Tages — oder
eines nachts — , daß es Ann ernsthaft »erwischte«. Es war ein Mann, der nicht
unter der üblichen spöttischen Firmierung als erotischer Ausgleichssport oder
als hygienisches Kosmetikum gelten konnte. Kurz, Ann war wirklich verliebt.
Dieser Gentleman — es ist nicht nötig, ihn mit Namen und Steckbrief zu versehen
— bedeutete ihr etwas mehr als die üblichen Gelegenheitslieben ihres Berufes.
Margret billigte das Verhältnis, nachdem sie sicher war, daß er keine Gefahr
für ihre Tanznummer darstellte, daß er das Sisterduo nicht sprengen oder Ann
für sich allein annektieren wollte. Sie segnete die Verbindung ab und erteilte
das schwesterliche »Imprimatur«. Was ihr um so leichter fiel, als sie seit
einiger Zeit ein gut gehendes Verhältnis mit dem Beleuchtungsingenieur des
Etablissements hatte.
So erlebte Ann in einer harten
Wintersaison einen Liebesfrühling, bei dem sich die frühsommerlichen Gewitter
durch Wetterleuchten und fernes Donnergrollen erst ankündigten, als sich ihr
Freund immer dringender nach Art und Wesen ihrer Schwester erkundigte,
inquisitorische Fragen in banale Nebensächlichkeiten kleidete und Margret den
Hof zu machen begann, mit Blumengebinden und kostbaren Bonbonnieren. Deren
Inhalt wurde prompt von dem Seidenhündchen einer Kollegin in der Garderobe
vertilgt, wie solches vom ganzen weiblichen Ensemble aus Kalorienangst
gehandhabt wurde, worauf das arme Tier bald an Diabetes erkrankte und das
Zeitliche segnete.
Ann, die ohnedies emotionalere und
sensiblere der beiden Schwestern, machte die veränderte Haltung ihres Freundes
in zunehmenden Maße nervöser und depressiver.
Eines Abends, im gemeinsamen
französischen Bett ihrer Garçonniere vor dem Einschlafen und mit einer
Gesichtsmaske verunstaltet, gab Margret Ann, bevor diese ihr Oropax einführte,
denn draußen stieg der Lärmpegel der Avenue — schließlich war nachtschlafende
Zeit, nämlich 7 Uhr früh — , gab also Margret Ann einen Stups und sagte: »Du,
Ann, dein Holder hat mich um ein Tête-à-tête gebeten.« — Ann fuhr hoch und das
Oropax fiel in die Nachtcremedose.
»Und was hast du gemacht?«
»Ich? Ich habe ihm natürlich
zugesagt... Morgen, d.h. heute um fünf, d. h. um 17 Uhr hier bei uns. Ich
behauptete, du wolltest sowieso ins Kino, um Redford zu sehen, deinen
platonischen Schwarm, du habest einen Bock auf ihn..., daß du vor einem halben
Jahr hier mit ihm gepennt hast, habe ich ihm natürlich nicht gesagt.«
Ann griff nach der Bettrolle,
erkannte ihre Unzulänglichkeit als Schlagwaffe und suchte auf dem Nachttisch
nach massiveren Gegenständen.
»Du verfluchtes Weibsstück, du
klaust mir einfach meinen Freund, das ist... das ist... Du machst dir doch gar
nichts aus ihm, hast du immer versichert... du falsches, verlogenes Biest...«
»Reg dich ab, da er es um des
lieben Friedens willen unbedingt haben wollte, soll er es kriegen.« Sie wehrte
den bedrohlichen
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