Das Filmbett
lächelnd: »Heute bin ich jung und schön, aber
einmal werde ich alt und häßlich sein. Und welcher Pfadfinder wird dann einem
Fahrtenmesser mit sechs Klingen widerstehen können...‹
Und so gilt auch für mich: Nicht
einen — wenn möglich zehn — fünfzehn auf einmal, Certainment!«
Aus dieser Neigung bezog sie ihren
weiteren Spitznamen: die »Seekadettenschule«.
Ob die Organisation einer solchen
Mehrzahl ihr nicht Trouble verursache? Sie gestand ein, daß dies tatsächlich
ihr Problem sei. Jugendgruppen, Schulklassen, pubertäre Turn- und
Sportmannschaften waren schwer zu mobilisieren, um ihren diesbezüglichen
Sexhunger zu stillen. Meist müsse sie sich an einen Lehrer, Trainer, Erzieher
heranmachen und dabei ihrerseits Federn lassen. »La pauvre poule«, bedauerte
sie sich selbst. In England mußte sie eine sadistische Lesbe von
Internatsleiterin mit ihrer Zunge und ihrem der Züchtigung zur Verfügung
gestellten Popo korrumpieren. Außerdem: die Diskretion sei bei solchem jungem
Gemüse leider nicht immer garantiert, diese halberwachsenen Männer seien
natürlich alle Prahlhänse und genössen zwar, aber schwiegen nicht. Und sie sei
stolz darauf, nie einen Skandal riskiert zu haben, den sie sich auch nicht
leisten könne. Immerhin hätten aber die Boys in England, durch die Reklame, die
sie für sie gemacht haben, für dankenswerten Nachschub gesorgt.
Aber seit sie hier in Paris
wohnhaft sei, habe sich ihr Problem zufriedenstellend gelöst.
Da sie nun an der Staatlichen
Académie für Musik und Tanz Dozentin für karibische und südamerikanische Tänze
sei, ständen die zahlreichen Knabenklassen des Kinderballettes zu ihrer
Verfügung. Und die leitenden Herren der Administration und die Vertreter der
Ministerien waren mit ihrer Nebentätigkeit durchaus einverstanden — würde sie
doch die Eleven vor dem Laster der Masturbation bewahren und — was in diesem
Berufsgenre noch wichtiger sei — vor der drohenden Gefahr der Homosexualität.
Man sei ihr sogar besonders zu Dank verpflichtet — das Kreuz der Ehrenlegion
wäre ihr in Kürze sicher — , sie habe sich Verdienste um die nationale Jugend
und deren sexuelle Aufklärung erworben, nur...
... nur hätte sie vielleicht die
Güte, in einem ganz bestimmten Cercle ausgewählter und namhafter
Persönlichkeiten und Staatsdiener ihre speziellen und allseits hinter der Hand
gerühmten Künste zur Darbietung zu bringen — natürlich unter strengster
Diskretion und absoluter Geheimhaltung...
Das hätte sie — sie sagte es
lachend — gerne getan. Nachdem sie sich vor dem blutrünstigen Diktator, dem
Papa Doc Duvalier, in seinem Regierungspalast in Port au Prince und vor seiner
berüchtigten Geheimpolizei, den gefürchteten Tonton Makoutes produziert habe,
nachdem sie in Havanna den eigentlich regierenden Generaldirektoren der amerikanischen
Fruit Company und ihrem Befehlsempfänger, dem Präsidenten Battista, ihr Können
bewiesen habe und dasselbe der CIA in Providence auf den Bahamas, nachdem sie
Unterhausmitglieder auf einem Sommersitz in Middlesex entzücken durfte, hätten
erst die Herren der Ägide Auriol ihr die Aureole als »artiste« verschafft, die
Krone ihrer Künstlerschaft.
Nun ja — die Vierte Republik unter
Präsident Aureol stürzte bekanntlich über die Aufdeckung der »Ballets roses«,
worunter geheime Nacktdarbietungen minderjähriger Balletteleven und Elevinnen
zu verstehen waren.
Die
Zwillingsschwestern
Die McNollans, zwei junge
schottische Schautänzerinnen, versuchten mit gutem Gelingen auf der
Erfolgswelle tanzender Zwillingsschwestern mitzusurfen. Margret und Ann
Mc-Nollan waren eineiige Zwillinge und in ihrer dunkelhaarigen,
skotisch-gälischen Erscheinung nahezu identisch. Ihre englische Bühnentanzkunst
— noch von der »Girl-Kultur« der zwanziger Jahre geprägt — reichte aus, um in
den Music-Halls und Varietés Europas eine erfreuliche Programmnummer
darzubieten. Sie konnten sich sogar rühmen, in Reno und Las Vegas »gearbeitet«
zu haben, was in diesem Berufe soviel bedeutet, als wenn man vor fünfzig Jahren
sagen konnte, man wäre im Berliner Wintergarten aufgetreten.
Das Varieté ist in seinen
widersprüchlichen Trends höchst bemerkenswert. Wie schon aus dem Namen Varieté
abzusehen ist, bemüht es sich um Vielfältigkeit — denn Variatio delectat — ,
und hat dabei die Neigung zum Uniformen. Diese zeigt sich auch im »Sister«- und
»Brother«-Effekt. Wenn eine gealterte Athletenmutter von ihrer jungen
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